Kultur in Brasilien

Zuletzt bearbeitet: 19. Januar 2021

Wenn ich die gängigen Vorstellungen meiner Landsleute hinsichtlich Brasilien zusammenfassen würde, dann wären sicher „die Stadt Rio de Janeiro und ihr Karneval, der Amazonas-Regenwald, Palmen bestandene Meeresstrände unter immer währender Sonne, exotisch-schöne Frauen und unser Fussballidol Pelé“ die meist genannten – aber leider wissen die meisten tatsächlich auch nicht viel mehr von Brasilien!

Brasilianische Kunst und Kultur ist vielfältig und farbenfroh (Foto: Dietmar Lang / IAP Photo)

Einige besser Informierte unter ihnen würden noch „Kriminalität, menschliches Elend und korrupte Polizei“ anfügen, getreu jenem einseitigen Brasilienbild, welches die hiesigen Medien im Allgemeinen zu verbreiten pflegen. Von der Kultur Brasiliens und der Brasilianer weiss man bei uns aber so gut wie gar nichts (nur BrasilienPortal-User wissen mehr).

Kultur scheint leider kein attraktiver Aufhänger für die allgemeinen Medien zu sein, wenn sie über Brasilien berichten, obwohl die brasilianische Kultur – das wage ich zu behaupten – einfach bedingt durch ihre unvergleichliche ethnische Vielfalt, ein viel breiteres Ausdrucksspektrum bietet als die irgend eines europäischen Landes. Es ist richtig, dass wir Europäer auf ein weit älteres Kulturerbe zurückgreifen können, denn Brasiliens Kultur ist gerade mal etwas mehr als 500 Jahre alt (wenn wir von der Kultur seiner Eingeborenen einmal absehen wollen) – jedoch haben seine zahlreichen Emigranten aus allen Ecken unseres Planeten in diesem Land eine multikulturelle Gesellschaft geschaffen, die in ihrer Vielfalt weltweit einzigartig und unvergleichlich dasteht!

Ein geflügeltes Wort, welches sich in erster Linie auf die Natur bezieht: „Es gibt nichts auf der Welt, das es in Brasilien nicht gibt“ (sogar Schnee) – kann man unbedingt auch auf seine Kultur anwenden: Alle Typen uns bekannter menschlicher Spezies haben als Einwanderer alle erdenklichen Arten von Religionen und spirituellen Kulten wie den Karneval, Carnaval, unterschiedliches Handwerk und individuelle Architektur, ihre typische Volksmusik und Bildende Kunst, ihre Strassenmaler, ihre eigene Literatur und Poesie, ihre Tele-Novelas in den kulturellen Schmelztiegel Brasilien mit eingebracht.

Und wenn man dieses wunderbare Land bereist, sollte man ausser Badestrand und Regenwaldausflug unbedingt auch das eine oder andere kulturelle Erlebnis im Reiseprogramm vorsehen. Entsprechend vorbereiten können Sie sich mit unserem BrasilienPortal, in dem wir Ihnen besonders auch die Kultur Brasiliens näher bringen möchten. Starten Sie Ihre Fluganreise nach Brasilien in ein kulturelles Land so gross wie ein Kontinent.

Nachfolgend ein erster Überblick:

nach obenDIE MENSCHEN

indios und universittKultur ist die Visitenkarte eines Volkes. Brasilien ist ein „kultureller Schmelztiegel“, so sagt man – treffender ausgedrückt vielleicht: ein „kultureller Cocktailshaker“, denn die zahlreichen Einflüsse seiner Immigranten aus aller Welt sind nicht etwa „untrennbar ineinander verschmolzen“, sondern haben sich lediglich miteinander gemischt – und dieser Kultur-Mix Brasiliens präsentiert sich dem Besucher ebenso kontrastreich wie seine Landschaften. Eine faszinierende Visitenkarte!

nach obenRELIGION

klein_indios_wayanoBevor man sich mit den Religionen Brasiliens befasst, muss man sich darüber im Klaren sein, dass sie von ganz unterschiedlichen kulturellen Strömungen beeinflusst wurden: nämlich von den vielen Indianervölkern, den Portugiesen und den ebenfalls verschiedenartigen afrikanischen Volksstämmen, die man als Sklaven nach Brasilien verschleppt hat. Jeder Volksstamm hat seine religiösen Traditionen mitgebracht und die haben sich gegenseitig beeinflusst und in vielen Fällen mit einander verwoben.

nach obenKUNST

holzfiguren von aleijadinho minas geraisAuch in Brasilien hat sich die Kunst aus der Religion entwickelt. Brasiliens bildende Künstler der Kolonialepoche, sowohl Bildhauer und Holzschnitzer als auch die Maler, suchten ihre Kreativität fast ausschliesslich in der so genannten sakralen Kunst zum Ausdruck zu bringen. Die zahlreichen Kapellen, Kirchen und Kathedralen, die mit der vorrückenden Kolonisation überall im Land von den verschiedensten religiösen Orden in Auftrag gegeben wurden, ernährten nicht nur Architekten und Bauarbeiter gut, sie boten in ihrem Budget auch genügend Spielraum für eine aufwendige Ausgestaltung der entsprechenden Objekte. Holzschnitzer, Steinmetzen und Maler arbeiteten zur Ausgestaltung dieser Gotteshäuser in der Regel Hand in Hand – stimmten ihre persönlichen Vorstellungen in Formen und Farben auf einander ab – und schufen so Kunstwerke von einmaliger Schönheit und Harmonie, von denen man in Brasilien eine besonders grosse und unvergleichliche Auswahl bewundern kann.

nach obenARCHITEKTUR

colonial em ouro preto_webDes Menschen früh entwickelte Leidenschaft, sich eine Behausung nach seinem persönlichen Bedarf und Geschmack anzulegen, gehört zu seinen ersten kreativen Aktivitäten, und in gleichem Masse wie er sein Wissen aus der ihn umgebenden Natur und durch den Kontakt mit anderen Völkern erweiterte, wuchs auch sein Bestreben, diese Behausung immer solider, funktioneller und optisch ansprechender zu gestalten – des Menschen Wohnstil entwickelte sich parallel zu seiner kulturellen Evolution. Heutzutage steht der Brasilienbesucher überrascht und staunend vor einem einmaligen Kuriosum: im Amazonasgebiet kann er den primitiven Indianerhütten begegnen, vergleichbar mit den Behausungen aus den Anfängen der Menschheit, im Bundesstaat Minas Gerais die perfekt erhaltene Pracht der historischen Barockstädtchen und ihrer verschwenderisch dekorierten Gotteshäuser bewundern und in der Hauptstadt Brasília kriegt er dann den Mund nicht mehr zu vor Staunen über die modernistischen Gebäude einer Nation, die innerhalb von nur 460 Jahren (1500 Entdeckung – 1960 Einweihung von Brasília) sämtliche Phasen architektonischer Entwicklung durchlaufen hat und sich heute mit ihrer post-modernen Phase auf aktuellem Niveau mit der Weltspitze befindet.

nach obenDAS KUNSTHANDWERK

klein_art_bolsaDas brasilianische Kunsthandwerk entspringt einer Fülle der unterschiedlichsten Rohstoffe – meist aus Ressourcen der Natur – und hinsichtlich seiner Herstellungstechniken aus traditionellen Quellen und Überlieferungen, die sich im Lauf der Zeit mehr oder weniger miteinander gemischt haben. Seine reinsten, unverfälschten Formen findet man heute noch im Kunsthandwerk der Indianer – vielfach sind solche fein ornamentierten und dekorierten Gebrauchsgegenstände noch in Benutzung, als Waffen oder im Haushalt – und diese Entdeckung machen sie für den Sammler natürlich besonders wertvoll. Besonders im brasilianischen Nordosten haben die bescheidenen Menschen in der Herstellung von Kunsthandwerk eine Alternative zu ihrer stets von der Trockenheit bedrohten Existenz gefunden – ihre Kreativität und technisch perfekten Schnitz-, Flecht-, Wirk- und Töpfer-Techniken gehören zum Besten auf diesem Gebiet. In diesem Abschnitt möchte ich lediglich die wichtigsten Strömungen aufführen, um Ihnen ein paar Referenzen zu geben, wenn Sie entsprechende Ausstellungen, Märkte oder Kunsthandwerks-Läden besuchen. Dort werden Sie dann auch Ihre eigenen Entdeckungen machen.

nach obenMODE UND LIFESTYLE

moda brasilWer kannte ihn nicht, den atemberaubenden brasilianischen „Tanga“ der 70er Jahre, oder etwas später und noch knapper, den „Fio Dental“, den man bei uns in Europa wortgetreu „Zahnseiden-Bikini“ nannte. Mit den aufsehenerregenden Bikinis und seiner extravaganten Strandmode machte Brasilien die ersten internationalen Schlagzeilen. Inzwischen haben sich allerdings Designer und Stilisten Brasiliens auch in der internationalen Haute Couture durchgesetzt. Der Modesektor ist es auch, auf dem die Stellenangebote zusehends wachsen. Denn die brasilianische Mode stellt sich inzwischen professioneller dar. Vor zehn Jahren gab es lediglich drei Hochschulen für Mode im ganzen Land – inzwischen sind es mehr als dreissig!

nach obenMUSIK UND TANZ

klein_combo_guitarIn Brasilien ist überall Musik – sie schallt aus den Plattenläden, dröhnt aus Reklame-Lautsprechern, aus Autofenstern und manchmal sogar live aus der einen oder anderen Bar – besonders an den Wochenenden. Auf dem Sand der Strände bilden sich kleine Gruppen um eine Gitarre herum – oft geht das Instrument von Hand zu Hand, und jeder gibt seinen Beitrag, der Rhythmus kann mit einem Stäbchen auf einer Bierdose akzentuiert werden, oder auf einem Plastikbecher. Auf vieles können die Brasilianer verzichten, nicht aber auf Musik, Rhythmus oder ein Lied. Musik bedeutet Nähe und Geborgenheit, denn man hasst nichts so sehr wie das Alleinsein.

Musik – nicht zu vergessen ihre Interpreten – ist die schnellste Verbindung zwischen den Menschen – brasilianische Musik ist darüber hinaus noch ansteckend, wie ein Virus. Wenn jemand einen Song vor sich hinträllert, summt sofort irgendjemand mit oder klopft den Rhythmus mit den Fingern auf die Tischplatte. Schon ist der Kontakt hergestellt. Europäer, obwohl sie einige der inzwischen weltbekannten brasilianischen Sambas oder Bossa-Novas schon zuhause gehört haben – oft als traurig entstellte Machwerke zweitklassiger Orchester – müssen sich nun vor Ort erst in jenen vibrierenden, lebendigen Rhythmus einfühlen, mit dem brasilianische Musik sich bereits in ihrem auditiven Gerüst von der Struktur europäischer Tonfigurationen unterscheidet. Alles was die Seele beschwingt, zum Mitsingen reizt und gute Laune verbreitet – aber auch, was nachdenklich stimmt und gar die Tränendrüsen provoziert, kann man unter den beiden Begriffen Samba oder Bossa Nova einordnen – und wo das nicht passt, bestimmt als Musica Popular (Volksmusik).

nach obenKARNEVAL, CARNEVAL, CARNAVAL

carnavalTradition in Brasilien und Afrika – Vergnügen und Ausdruck des Protests während der Monarchie. Drei tolle Tage Ausgelassenheit, Spiel und Spass, ein Begriff, den die Welt mit Brasilien verbindet: Carnaval. Mit Wurzeln in der Religiosität des Mittelalters – herübergebracht von den Portugiesen unter dem Namen „Entrudo“. Aber wenn der Karneval auch keine Erfindung von den Brasilianern ist, so haben sie ihn doch mit grossem Vergnügen adoptiert und seiner sympathischen Symbolfigur, dem „Rei Momo“ (König Momo) offiziell die Regentschaft übertragen. Bei uns erfahren Sie etwas über den Hintergrund der Karnevalsgeschichte in Europa – und wie der „zivilisierte“ Karneval der Elite sich bemühte, den „gewalttätigen Entrudo“ des Volkes zu zähmen. Über die Wurzeln des Samba in Rio de Janeiro, die 12-er Grupo Especial in Rio, über die Eigentümlichkeiten des Frevo aus Pernambuco, dem Carnaval aus Salvador da Bahia und der Metropole São Paulo.

nach obenBRASILIANISCHE FILMKUNST

sonhos3Was wissen Sie über den brasilianischen Film? Wenn Sie die Entwicklung in den Medien verfolgt haben, dann haben Sie zumindest schon davon gehört, dass immer mehr brasilianische Filme auf der ganzen Welt gezeigt werden und Preise erringen – sogar verschiedene Nominierungen für den Oscar waren schon dabei (z.B. „Estacao Central“ von Oscar Salles) der auch in deutschen Kinos lief und im deutschen Fernsehen ebenfalls ausgestrahlt wurde. Das aktuelle brasilianische Kino hat seine Identitätskrise während der Militärdiktatur überwunden und präsentiert sich überraschend kreativ, mit Themen, die uns ergreifen und erschüttern, weil sie aus einem Alltag herausgegriffen sind, dessen Problematik wir auf unserer Seite des Globus kaum kennen.

nach obenLITERATUR

litareturEinige der bedeutendsten Unterschiede zwischen Brasilien und dem spanischen Amerika entspringen der Geschichte der Kolonisation in beiden Teilen. Als sie keine der erwarteten grossartigen Städte wie die der Inkas, Azteken und Mayas vorfanden, konzentrierten sich die Portugiesen erst einmal auf die Bodenschätze, dann auf Exportprodukte (erst Brasil-Holz, dann Zucker). Und obwohl sich auch Städte wie Recife, Bahia und Rio de Janeiro endlich entwickelten, gab es doch, so unwahrscheinlich es klingt, bis zur Ankunft des portugiesischen Königs Joao IV in Brasilien (auf der Flucht vor Napoleon 1808) keine gedruckte Presse im Land. Das soll nicht heissen, dass es in Brasilien keine koloniale Literatur gegeben hätte, obwohl sich die Gelehrten immer noch darüber streiten, zu wie viel Prozent diese auch „brasilianisch“ gewesen ist!

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