Spechte – ihr Name ist Arbeit

Zuletzt bearbeitet: 20. Mai 2023

Die Spechte, unermüdliche Arbeiter, von denen auch in Brasilien zahlreiche Gattungen verbreitet sind. Haben Sie gewusst, dass die Spechte nicht nur für sich selbst sondern auch für andere Vögel Nester bauen?

Mit oder ohne Federkrone, in grellen Farben oder in diskreterer Aufmachung, klein oder gross – die Gattung der Spechte unterscheidet sich nur nicht in einer einzigen Eigenschaft: Sie arbeiten ohne Pause. Sie sind Schreiner und Nestbauer von Beruf, sie bauen ihr eigenes Heim und auch das anderer Tiere. Sie sind Sanitäter, weil sie Schädlinge von den Bäumen entfernen. Sie sind die Verbündeten der Bauern, weil sie Ameisen und Termiten vertilgen. Und sie betätigen sich als Schlagzeuger, indem sie ihre getrommelten Rhythmen durch den Wald hallen lassen . . . In Brasilien gibt es aktuell 61 Arten dieser fleissigen Vögel.

Specht – Foto: Raechel Johnson auf Pixabay

Das Verhältnis zwischen Spechten und Bäumen ist wieder ein positives Beispiel jener Abhängigkeit der Spezies voneinander. Der Baum liefert dem Specht Nahrung in Form von Insekteneiern und ihren Larven, während der Specht sich als Krankenpfleger beim Baum revanchiert, indem er ihn von den Schädlingen befreit und so seine Gesundheit erhält. Für diesen “Service“ besitzt der Specht überraschende Eigenschaften und Fertigkeiten. Seine Herzmuskeln sind besonders kräftig. Sein Gehirn ist besonders geschützt gegen die Erschütterungen der wiederholten Schnabelhiebe auf das Holz der Bäume. Ein Schutz, der den Vogel davor bewahrt, dass ihm die Sinne schwinden, trotz seiner zirka 100 Schnabelhiebe pro Minute! Um diesen Kraftaufwand zu leisten, sind die Knochen des Schnabels und des Gehirns verbunden durch einen schwammigen Stoff, der die Erschütterungen absorbiert.

Doch diese besonderen Eigenschaften von Schnabel und Kopf werden unterstützt von weiteren Eigenschaften des Vogelkörpers, die auf die besondere Lebens- und Ernährungsweise der Spechte abgestimmt sind. Fangen wir mal an mit der Form ihrer Füsse. Sie sind besonders kräftig, haben zwei Zehen nach vorn und zwei nach hinten gerichtet, alle mit scharfen Krallen bewehrt, die dem Vogel erlauben, Bäume mit grösster Geschicklichkeit zu erklettern – er kann sich parallel zum Stamm in der Vertikale anklammern. Eine ähnliche Fertigkeit ist den “Arapaçus“ (Baumsteiger – Dendrocolaptidae) eigen, die drei Zehen nach vorn und einen nach hinten besitzen, sich aber wie die Spechte in einer Parallelposition zum Stamm hinauf und hinunter bewegen können.

Der Schwanz ist ebenfalls von grosser Bedeutung für die Kletterei dieser Vögel – er funktioniert als Federung und Abstützung. Deshalb sind seine Federn bei allen kletternden Spezies besonders versteift – ausgenommen bei den Zwergformen der Spechte, die sich eher an den Spitzen der Zweige aufhalten und nicht von einer vertikalen Abstützung abhängig sind. Diese Mini-Spechte verlassen sich ganz auf ihre proportional grösseren und kräftigeren Füsse, wenn sie sich auf vertikalen Stämmen oder Zweigen bewegen. Die Füsse sind so kräftig, dass der kleine Vogel in der Lage ist, sich von oben auf einem vertikalen Stamm mit dem Kopf nach unten Richtung Boden zu bewegen.

Eine weitere technisch perfekte Einrichtung ist das Gehör der Spechte. Es ist so empfindlich, dass er das kleinste Geräusch eines Insekts oder einer Raupe wahrnimmt, die sich unter der Baumrinde versteckt oder sich ins Holz gebohrt hat. Oder er benutzt seinen Schnabel als Sonde. Dann klopft er aufs Holz und hört – wenn der Ton “hohl“ wiederhallt, ist dies für ihn ein Zeichen, das ein Leckerbissen in der Nähe ist. Jetzt hämmert er solange gegen die Rinde, bis er sie durchbohrt hat. Dann tritt ein weiteres seiner besonderen Werkzeuge in Aktion: seine Zunge. Bei einigen Spechtarten ist sie bis zu fünfmal so lang wie der Schnabel! An der Zungenspitze befinden sich kleine Widerhaken, welche das Einholen der Beute erleichtern, die Zunge selbst ist bedeckt von einem klebrigen Sekret, mit dem Eier und Larven an ihr kleben bleiben. Dieses klebrige Sekret ist von besonderer Klebekraft bei Spechtarten, die sich von Termiten und Ameisen ernähren. Mit anderen Worten, die Zunge funktioniert wie eine “klebrige Gabel“ bei diesen Vögeln. Und für den Baum wie ein chirurgisches Instrument von höchster Präzision.

Der Sanitäter der Bäume steht aber auch als Schreiner des Waldes seinen Mann, beziehungsweise seinen Specht. Während der Fortpflanzungsperiode benutzen Männchen wie Weibchen ihre Schnäbel als Meissel zum Anfertigen ihrer Nisthöhlen.

“Aber schadet es dem Baum denn nicht, wenn der Specht in seinen Stamm ein so grosses Loch einmeisselt?“

In den seltensten Fällen. Kurioserweise bevorzugt er für sein Nest die abgestorbenen Bäume. Er scheint auch sein Nest gern in Abknickungen von Ästen anzulegen, um so Eier und Jungtiere vor dem Regen zu schützen, aber das ist nicht immer der Fall, kann also nicht als Regel angenommen werden. Das Flugloch ist stets so eng wie möglich für die entsprechende Spezies, um grössere Beutejäger auszusperren.

Unter den 61 brasilianischen Spechtarten bevorzugt lediglich der “Pica-pau do campo“ (Colaptes campestris) Termitenhügel für seine Nisthöhle – obwohl er auch abgestorbene Baumstämme akzeptiert. Es ist keine Übertreibung, wenn man alle Spechte als “Schreiner des Waldes“ bezeichnet, denn sie leisten anderen Tieren einen grossen Dienst mit ihrer “Höhlenbaumanie“ – Schwalben, Papageien und andere Vögel, Reptilien, Amphibien und sogar kleine Säugetiere, wie Marmosetten und Pinselohräffchen, die selbst nicht in der Lage sind, das Holz zu bearbeiten, sie alle profitieren von den verlassenen Spechthöhlen – in einigen Fällen, indem sie den Eingang und manchmal auch den Innenteil etwas verbreitern.

Und es gibt auch solche, die gar nicht erst abwarten, bis die begehrte Nisthöhle frei geworden ist – so zum Beispiel der “Araçari“ (aus der Gattung der Tukane – Pteroglossus), er vertreibt den entsetzten Besitzer, frisst die Eier oder auch die Jungen, und macht sich dann breit in “seinem neuen Haus“. Ein anderer Invasor ist der “Anambé“ (Gattung Tityra) – im Gegensatz zum Specht, der seine Höhle nur mit den herausgemeisselten Holzspänen auspolstert, benutzt der “Anambé“ dafür Blätter. Die beiden starten einen regelrechten Wettlauf, wenn die Höhle fertig ist: Der Anambé bringt die Blätter, und der Specht trägt sie wieder raus. Aber die Starrsinnigkeit des Invasors ist grösser – der Specht gibt auf, und der Anambé gewinnt die Nisthöhle.

Wenn es schliesslich einem Spechtpärchen gelingt, seine Nisthöhle ohne Probleme mit Eindringlingen zu beziehen, widmen sich beide der Bebrütung von zwei bis vier Eiern. Nach zirka 12 bis 15 Tagen – je nach Spezies – schlüpfen die Jungen. Nach dem Ornithologen Helmut Sick, in seinem Buch “Ornitologia Brasileira“, benutzen die Jungen schon im Ei ihr wichtigstes Werkzeug, den spitzen Schnabel, um die Eier von innen aufzumeisseln. Mindestens zwei Spechtarten – der “Benedito-de-testa-amarela“ – Goldmaskenspecht (Melanerpes flavifrons) und der “Benedito-de-barriga-vermelha“ – Gelbbrauenspecht (Melanerpes cruentatus) pflegen sich in Gruppen aufzuhalten und bauen auch ihre Nisthöhlen als Kommune.

Wissenschaftler haben ausserdem beobachtet, dass diverse Männchen und Weibchen dieser beiden Spezies Futter zu einer einzigen Nisthöhle brachten. Das bedeutet – wenigstens im Fall dieser beiden Spezies – dass eine Gruppe erwachsener Vögel auch bei der Ernährung ihrer “Nachbarkinder“ zu helfen gewöhnt ist.

Die elterliche Fütterungsarbeit ihrer Brut kann sich bis zu einundeinhalb Monaten hinziehen. Nachdem sie flügge geworden sind, verbleiben die Jungen einiger Spezies noch bis zu fünf Wochen im elterlichen Nest. Und auch nachdem sie schon gut fliegen können, pflegen sie noch einige Zeit zum Nest zurückzukehren, um von den Eltern gefüttert zu werden und dort zu schlafen.

Wie die meisten anderen Vögel, so singen auch die Spechte, um ihr Territorium zu behaupten oder die Rufe anderer zu beantworten, aber sie sind keine grossen Sänger. Zum Ausgleich verstehen nur sie es, mit ihrem vielseitig verwendbaren Schnabel auch als Perkussionisten des Waldes aufzutreten. Wenn sie “trommeln“ – und dafür suchen sie sich Oberflächen mit einer guten Resonanz, wie zum Beispiel hohle Bäume – kann man den Sound kilometerweit hören. Und dieses “Trommeln“ darf nicht verwechselt werden mit dem Hämmern für die Arbeit – sie trommeln zur Demarkation ihres Territoriums und auch zur Kommunikation in der Paarungszeit.

Um Spechten zu begegnen muss man sich nicht in einen Wald begeben. Sie sind überall präsent, wo es Bäume gibt, auch in öffentlichen Parks oder sogar in mit Bäumen begrenzten Strassen der Stadt. Und häufig kann man dem “Pica-pau-do-campo” – Feldspecht (Colaptes campestris) auf Weideflächen begegnen, wo er Ameisen und Termiten findet. Die Analyse des Mageninhalts eines solchen Vogels ergab mehr als 2.000 Ameisen – was die Bedeutung des Appetits dieser Vögel zur Kontrolle von Schädlingen der Landwirtschaft unterstreicht, neben jenem bereits erwähnten Dienst für die Gesundheit der Bäume im Allgemeinen.

Die ungeheure Vielfalt der Spezies stellt sicher, dass praktisch alle Bäume von der wichtigen “Arbeit“ dieser Vögel profitieren. Während die grösseren Spechte, wie die der Gattung Campephilus (eine amerikanische Gattung der Spechte), sich der Untersuchung von Stämmen und grösseren Ästen annehmen, werden die dünneren Zweige von den Zwergspechten (der Gattung Picumnus) untersucht, die eine mittlere Grösse von 10 Zentimetern und ein Gewicht von 11 Gramm nicht überschreiten.

Sicherlich hat kein Specht eine Ahnung von dem wichtigen ambientalen Dienst, den er leistet, denn auf ihrer Suche nach Insekten, Larven oder Eiern sind diese Vögel nur hinter ihrer Nahrung her. Aber wir denkenden Menschen dürfen in dieser wunderbaren Relation zwischen Bäumen und Spechten durchaus ein weiteres Beispiel der Perfektion der Natur erkennen.

Schliesslich hängt auch unser Leben vom Holz einiger Bäume ab, von den Früchten vieler anderer und von ihren heilenden Essenzen, die wir ihnen zu entnehmen gelernt haben. Die Erhaltung des Waldes wird von vielen Menschen mit Sorge verfolgt, aber mit der Arbeit von Wenigen – sehr Wenigen. Stellt Euch nur mal vor, wenn die gesamte Bevölkerung Brasiliens sich an einem einzigen Tag entschliessen würde, nur einen einzigen Baum in Städten, auf Landgütern und Fazendas zu pflanzen – in kurzer Zeit hätten wir 190 Millionen neue Bäume und, konsequenterweise, Tausende von neuen Spechten und vielen anderen Vögeln. Also gut, Samen sind eigentlich wie Ideen – man muss sie nur einpflanzen. Aber in unserem Fall muss der Absicht auch tatsächlich die Tat folgen!!!

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AutorIn: Klaus D. Günther · Bildquelle: Bruce MacQueen / Fotolia.de

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