Das Papadrómo von Maceió

Zuletzt bearbeitet: 29. Oktober 2013

Es war, ist und bleibt ein heiliger Ort. Zumindest für Luzinete dos Santos. Sie war damals vor 16 Jahren zwar nicht mit dabei, doch sie hat viel darüber gehört. Alleine darum respektiert sie diesen Platz. Nicht wie die anderen. Die anderen, dass sind Drogendealer, Verbrecher, Gesindel. Sie lungern herum, trinken, nehmen Drogen und feiern Feste. Und sie machen Geschäfte. Zudem haben sie alles gestohlen was nicht niet- und nagelfest war.

papadromoWir sind in Maceió, der Hauptstadt des Bundesstaates Alagoas. Hier steht eine von zwei Konstruktionen in Brasilien, welche nur für einen einzigen Zweck gebaut worden sind. Eine Papstmesse. Am 19. Oktober 1991 versammelten sich zehntausende von Gläubigen auf dem fussballfeldgrossen Platz am Rand der Küstenstadt, um Papst Johannes Paul II. bei seiner Brasilienreise zu erleben und mit ihm gemeinsam zu beten.

Die Gläubigen sind verschwunden. Und Gott anscheinend auch. Lange Zeit blieb der Ort verwaist, Vandalen hinterliessen ihre Spuren. Nur ab und zu wurde hier in der Vergangenheit für eine Weihnachtsmesse genutzt. Ansonsten haben sich hier maximal Regionalpolitiker im Wahlkampf eingefunden. Es ist ein offener Altar, früher war rechts und links davon Panzerglas zum Schutz des Ponitfex montiert gewesen, doch auch dieses sucht man heute vergeblich. Nur die aus Beton und Stein gefertigten halbrunden Treppen, die den Ort wie ein römisches Theater aussehen lassen, fanden noch keine andere Verwendung.

Nun hat der Ort wieder ganzjährig eine Verwendung gefunden. Unter dem weitläufigen Dach wird heutzutage gehandelt. Kokain, Marihuana, Crack und LSD wechseln hier den Besitzer. Früher muss es mal ein wunderschöner Ort gewesen sein. Am Stadtrand gelegen, malerisch umrahmt von dem im Hintergrund gelegenen Lagoa Mundaú. Doch diesen Blick sucht man heute vergeblich. Denn zwischen dem “Praça do papa“, dem Papstplatz und dem See hat sich eine Favela gezwängt, die Vila Brejal. Dort wohnt Luzinete in einer einfachen Holzhütte. Es ist eine der ärmsten Gegenden von Maceió.

So hat sich das “Papadrómo“, wie es im Volksmund genannt wird, zu einem rechtsfreien Raum entwickelt. Massnahmen der Polizei sind wirkungslos, da diese schon aus weiter Entfernung sichtbar ist. Bis die Ordnungshüter am Altar angelangt sind, sind Banditen und Drogenhändler bereits lange in der angrenzenden Favela verschwunden.

Der Erzbischof von Maceió, Antônio Muniz will nun verstärkt etwas dagegen unternehmen. Wer der rechtmässige Eigentümer ist, ist jedoch unklar. Fragt man im Rathaus des Küstenortes nach, bekommt man eine verwirrende Information. “Der Platz gehört nicht dem Staat und auch nicht der Stadt. Er gehört dem Volk und so ist es auch eingetragen“ erklärt Bürgermeister Cícero Almeida. Nach seiner Aussage hat das Militär von Alagoas entsprechende Pläne mit dem Objekt. Aus dem Gouverneurspalast hört man genau das Gegenteil. “Die Stadt ist Eigentümer“ so Vizegouverneur José Wanderley Neto. Und die Regierung des Bundesstaates habe derzeit keinerlei Pläne für eine Nutzung der Fläche.

Daher will laut Muniz sich auch niemand darum kümmern, Reparaturen durchführen oder das Gelände regelmässig säubern. Doch noch ist die Kirche machtlos. “Wir können aber nicht einfach hingehen und den Platz besetzen. Wir hoffen, dass dieser Ort der Kirche gestiftet oder zur Verfügung gestellt wird“, so der Erzbischof in einem Zeitungsinterview. Das “Papadrómo“ sei für ihn ein “Schatz des Staates Alagoa“ und die Kirche wolle es unbedingt für die Menschen erhalten und renovieren.

Von den Plänen der Kirche weiss Luzinete nichts. Doch sie erinnert sich genau an die Wahlkampfreden der Politiker. “Hier auf der Bühne haben sie gestanden. Sie haben uns versprochen, das Elend hier in der Favela zu verringern. Es wurden uns Siedlungen versprochen. Aber nichts ist geschehen.“

Sie wird wütend, wenn sie daran denkt, wie dieser Ort nun von Halbstarken und Kriminellen missbraucht wird. Und dass dem niemand endlich Einhalt gebietet. Auf die Drogendealer angesprochen kann sie nur den Kopf schütteln. “Denen fehlt einfach Gott im Herzen“ sagt sie traurig und kehrt in ihre Favela am Seeufer zurück.

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AutorIn: Dietmar Lang · Bildquelle: Google-Maps Printscreen

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