Jahresrückblick 2013

Willkommen zum Jahresrückblick 2013 auf dem BrasilienPortal. Die letzten 12 Monate standen in Brasilien ganz im Zeichen der Suche nach einer neuen Identität. Auch sportliche Höhepunkte konnten nicht ablenken von der Unzufriedenheit in weiten Teilen der Bevölkerung hinsichtlich der öffentlichen Gesundheitsversorgung, des Bildungssystems, des Transportwesens und der Korruption in der Politik. Millionen Menschen strömten erstmalig seit 20 Jahren im ganzen Land wieder auf die Straßen und machten ihrem Unmut mit friedlichen und demokratischen Mitteln Luft – nur einige wenige Chaoten und Randalierer nutzten die Massenproteste für ihre ganz eigenen anarchistischen Ziele.

Verhallt sind die Rufe nach sozialer Gerechtigkeit dadurch jedoch keineswegs. Gerade in Hinblick auf die kommende Fußball-Weltmeisterschaft 2014 blickt die Welt deutlich kritischer auf das boomende Land im Südamerika, welches inzwischen in der Top 5 der Volkswirtschaften angekommen ist. Wie in den Vorjahren bestimmten auch 2013 Politik, Sport, Kultur und Natur die Schlagzeilen. Die Nachrichten aus Brasilien waren erneut so bunt wie das Land selbst. Wie vom BrasilienPortal versuchen daher einmal mehr die wichtigsten Ereignisse des nun ausklingenden Jahres in einer Retrospektive zusammenzufassen.

Kein Bild hat das Jahr 2013 in Brasilien so geprägt wie die Polizeipräsenz rund um die Stadien beim Confed-Cup 2013
Kein Bild hat das Jahr 2013 in Brasilien so geprägt wie die Polizeipräsenz rund um die Stadien beim Confed-Cup 2013

Disco-Brand

Das Jahr begann allerdings mit einer der größten Tragödien der jüngeren Geschichte. Bei einem Feuer in der Diskothek „Kiss“ in der Kleinstadt Santa Maria im Bundesstaat Rio Grande do Sul sind Ende Januar 242 Menschen getötet und weitere 116 zum Teil schwer verletzt worden. Das Inferno war durch Feuerwerkskörper ausgelöst worden, den ein Musiker während eines Konzerts auf der Bühne angezündet hatte. Die Flammen griffen sofort um sich, unzureichende Sicherheitsmaßnahmen und fehlende Notausgänge sorgten letztendlich für die Katastrophe.

Carnaval do Brasil begeistert erneut Millionenpubikum

Während aufgrund der Disko-Tragödie mancherorts die Sambaparaden abgesagt wurden, defilierten auch 2013 in São Paulo und Rio de Janeiro wieder Zehntausende durch die Sambódromos, Millionen verfolgten das Spektakel weltweit live im Fernsehen. In Brasiliens Wirtschaftszentrum setzte sich überraschend Mocidade Alegre bei den Punktrichtern durch. Mit ihre Präsentation unter dem Motto „Verführung und Versuchung“ ging es allerdings weniger um Erotik als um das Bestreben, seit Generationen überlieferte Konzepte und angebliche Wahrheiten in Frage zu stellen.

Unter dem Zuckerhut konnte sich am Ende Vila Isabel völlig verdient über die Karnevalskrone von Rio de Janeiro freuen. Ihre Parade über Brasilien als „Speisekammer der Welt“ präsentierte die bescheidene Lebensart des Volkes im Hinterland Brasiliens, wie den Tanz zur Violine, die Besuche bei Freunden oder religiöse Prozessionen. Es gab Themengruppen mit krähenden Hähnen, krabbelnden Heuschrecken, von Schädlingen angefressene Pflanzen, Ameisen, Gemüse und viele Blumen und Blüten – die auch ein bisschen frische Luft mit auf die Avenida im Sambódromo Marquês de Sapucaí transportierten.

Abholzung in Amazonien nimmt wieder zu

Eine traurige Meldung über die Sauerstoff-Fabrik unseres Planeten erreichte die Menschen nur wenige Wochen später. Demnach war im Dezember 2012 die Abholzung im brasilianischen Amazonasgebiet sprunghaft angestiegen. Von bis zu 107 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum war zwischenzeitlich die Rede, im Jahresverlauf relativierten sich die die Zahlen dann jedoch. Mitte des Jahres waren nach offiziellen Zahlen noch 35 Prozent Zuwachs gewesen, in der Jahresendbilanz der Regierung stieg die Abholzung zwischen August 2012 und Juli 2013 „nur“ um 28 Prozent von 4.571 auf 5.843 Quadratkilometer. Die endgültigen Zahlen für 2013 stehen erst im 2. Quartal 2014 fest, wenn sämtliche Satellitenbilder ausgewertet wurden.

NSA-Skandal auch in Brasilien

Die Satelliten über Brasilien nahmen in den vergangenen Jahren allerdings nicht nur den Regenwald aufs Korn. Auch Staatspräsidentin Dilma Rousseff soll Ziel so mancher Überwachung geworden sein. Wie die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel soll auch sie systematisch von US-Geheimdiensten – allen voran die NSA – bespitzelt und abgehört worden sein. Brasilien plant nun, sich digital besser zu schützen und vom Rest der Welt abzuschotten. Zudem wurde bei den Vereinten Nationen gemeinsam mit Deutschland eine Initiative auf Abhörschutz gestartet. Dem Whistleblower Edward Snowden will man in Brasília auch weiterhin kein Asyl gewähren, obwohl dieser inzwischen angeboten hat, im Gegenzug Brasilien bei der Aufklärung des US-Lauschangriffs zu helfen.

Nach Massenprotesten kündigt Regierung Reformen an

Doch nicht nur die Außenpolitik zeichnete Sorgenfalten auf die Stirn der ersten Präsidentin des Landes, auch innenpolitisch ging es mächtig zur Sache. Nur ein paar Tage vor Beginn der Generalprobe zur Fußball-WM, dem FIFA-Konföderationenpokal, strömten immer mehr Menschen auf die Straßen des Landes. Zunächst wurde nur gegen geplante Fahrpreiserhöhungen demonstriert, später richtete sich der Unmut der Menschen gegen die milliardenschweren Investitionen für das kommenden Fußballfest, während in Schulen und Krankenhäusern überall Geld fehlt. „Wir wollen ein Gesundheitssystem nach FIFA-Standard“ skandierten die Menschen von Nord bis Süd in Anspielung auf die mit allem erdenklichen Komfort ausgestatteten modernen Fußballtempel.

Auch während der Ball rollte, protestierten die Menschen weiter und verärgerten damit auch sichtlich den Weltfußballverband. Dessen Präsident Sepp Blatter hatte im Vorfeld noch seiner Überzeugung Ausdruck verliehen, dass die Menschen sich schon beruhigen würden, rolle der Ball erst einmal. Doch nach anhaltenden Buh-Rufen beim Eröffnungsspiel und zunehmenden Ausschreitungen vor den Stadien, einerseits von wenigen Chaoten provoziert und von Sicherheitskräften begegnet, die von Deeskalation scheinbar noch nie etwas gehört hatten, suchte Rousseff persönlich den Dialog mit den sozialen Gruppen und kündigte Reformen und Maßnahmen an. In dessen Folgen flachten die Massenproteste ab, außer ein paar mehr „importierten Ärzten“ im Land hat sich bislang jedoch nichts getan. Bei der kommenden WM-Endrunde dürfte damit mit neuerlichen Protesten zu rechnen sein.

Brasilien gewinnt Confed-Cup

Unter den Tränengaswolken, die in den Tagen des Confed-Cup durch die großen Metropolen des Landes wehten, hätte man fast das sportliche Abschneiden des Gastgebers und Titelverteidigers übersehen können. Das Team von Erfolgscoach Luiz Felipe Scolari brillierte auf ganzer Linie. Vor allem Superstar Neymar schoss sich in die Herzen der Fans und katapultierte den fünffachen Weltmeister zum Top-Favoriten 2014. Die Seleção fertigte in den Gruppenspielen zunächst Japan mit 3:0 (1:0), Mexiko mit 2:0 (1:0) und Italien mit 4:2 (1:0) ab, bevor im Halbfinale Uruguay mit 2:1 (1:0) ebenfalls bezwungen wurde. Im Finale gegen den amtierenden Welt- und Europameister Spanien liefen die Kanariengelben dann zur absoluten Höchstform auf. Im ausverkauften Maracanã-Stadion von Rio de Janeiro deklassierten Neymar und Co. die Iberen mit einem grandiosen 3:0 (2:0) und nahmen zum dritten Mal in Folge den Gewinnerpokal der Mini-WM entgegen.

Papst Franziskus beim Weltjugendtag in Rio

Die Euphorie über den Confed-Cup-Sieg war noch nicht verebbt, da stand schon der nächste Großevent im Raum. Auf seiner ersten Auslandsreise kam der frisch gewählte Papst Franziskus zum Weltjugendtag, der 2013 an keinem anderem Strand als der weltberühmten Copacabana stattfand. Der erste Argentinier auf dem Stuhl Petri hatte bereits zuvor durch seine Bescheidenheit weltweit für Aufregung gesorgt und umso herzlicher war dem Empfang in der Cidade Maravilhosa. Schon auf der Fahrt vom Flughafen ins Zentrum der Metropole musste sich der Pontifex einen Weg durch die Menschenmassen bahnen und auch bei den Messen unter den Wachen Blicken der gigantischen Christusstatue schlugen im riesige Sympathiewellen entgegen. Bis zu 3 Millionen Menschen, darunter viele Pilger aus aller Welt, kamen im Verlauf des Weltjugendtages an die Copacabana, um gemeinsam mit Franziskus gemeinsam zu singen und zu beten.

Brasilien hat mehr als 200 Millionen Einwohner

Das sich in Brasilien nicht selten gleich ein Millionenpublikum bei Großveranstaltungen versammelt, ist nicht verwunderlich. Schließlich leben seit diesem Jahr offiziell erstmals mehr als 200 Millionen Menschen im größten Land Südamerikas. Dies zumindest ergaben Schätzungen der nationalen Statistikbehörde IBGE, welche die Zahlen auf Grundlage der Volkszählung von 2010 hochrechnete und Ende August veröffentlichte. Dies sind in etwa 7 Millionen Einwohner mehr als 2012, als die Bevölkerungszahl mit 193,95 Millionen angegeben wurde. Innerhalb der 26 Bundesstaaten und des Hauptstadtdistrikts ist auch weiterhin der Bundesstaat São Paulo mit 43,6 Millionen Menschen am bevölkerungsreichsten. Auf Rang 2 folgt Minas Gerais mit 20,5 Millionen vor Rio de Janeiro mit 16,3 Millionen, Bahia mit 15 Millionen und Rio Grande do Sul mit 11,1 Millionen Einwohnern. Am wenigsten Menschen leben im extremen Norden Brasiliens im Bundesstaat Roraima, desse Bevölkerung von der IBGE mit lediglich 488.000 angegeben wird.

Wir feiern 10 Jahre BrasilienPortal

Im September konnten wir vom BrasilienPortal dann endlich die Korken knallen lassen. Offiziell feierte unser Infoportal sein 10-jähriges Bestehen. Doch 2003 war keinesfalls der tatsächliche Beginn, die wahren Anfänge gehen weit zurück bis in das Jahr 1996, wo Initiator Marco Svalduz sich so richtig in Brasilien verliebte. Und mit ein paar Experten, technischer und inhaltlicher Unterstützung erblickte das BrasilienPortal am 15. September 2003 das Licht der Welt. Das Design hat sich seitdem mehrfach gewandelt und auch die Inhalte sind auf mittlerweile über 4.000 Artikel, Nachrichten und Reportagen angewachsen. Unsere Begeisterung und Leidenschaft ist noch lange nicht erschöpft – ans Aufhören denkt also niemand!

Megaspektakel Rock in Rio 2013

Gleiches dürfte auch Roberto Medina nach „Rock in Rio 2013“ resümiert haben. Im kommenden Jahr steht Argentinien auf dem Programm, 2015 soll das Spektakel wieder in Rio de Janeiro Station machen. Auch in diesem Jahr fand das Festival an sieben Tagen in der „Cidade do Rock“ statt, Abend für Abend strömten 85.000 Musikfans auf das Festivalgelände. Die über 500.000 Karten waren schon Monate vorher binnen weniger Minuten ausverkauft – teilweise stand dabei noch nicht einmal das Programm fest. Und eine während des Festivals durchgeführte Umfrage gibt den Verantwortlichen recht: 77 Prozent fanden die diesjährige Ausgabe besser als die von 2011 und 88 Prozent wollen 2015 wiederkommen. Dann könnten erneut internationale Superstars wie Beyoncé, Bruce Springsteen, Metallica oder Bon Jovi für die notwendige Stimmung sorgen. Und brasilianische Musikstars wie Ivete Sangalo, Skank oder Jota Quest dürften ebenfalls wieder mit von der Partie sein.

Auch Landwirtschaft feiert Rekorde

Rekorde im Sport beim Confed-Cup, in Sachen Kultur bei Rock in Rio und im Sozialen bei den Massendemos im ganzen Land: 2013 war für Brasilien das Jahr der Rekorde und auch die Landwirtschaft wollte da nicht nachstehen. In den kommenden Wochen wollen die Bauern bis zu 196 Millionen Tonnen Getreide und Ölsaaten einfahren, gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg von stolzen 5,3 Prozent. Sofern das Wetter mitspielt, dürften auch Rekorde bei der Baumwollernte zu registrieren sein. Hier sprechen die Experten schon über 25 Prozent Zuwachs, zwei Millionen Tonnen sollen es dann insgesamt sein.

Bleibt abschließend noch auf einen letzten Rekord hinzuweisen: nie wurden im Vorfeld einer Fußball-Weltmeisterschaft mehr Tickets in den ersten Verkaufsphasen abgesetzt wie bei der WM 2014 in Brasilien. Der Ball rollt zwar erst im nächsten Jahr, der Ticket-Rekord wurde jedoch noch im letzten Quartal 2013 gebrochen. Über Gewinner und Verlierer des Turniers werden sie dann im kommenden Jahresrückblick 2014 lesen können. Und bis dahin wird im Land der Gegensätze auch noch vieles andere geschehen, über das wir berichten werden.

Bis dahin wünscht Ihnen das ganze Team vom BrasilienPortal erst einmal ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

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AutorIn: Dietmar Lang · Bildquelle: Dietmar Lang / IAP Photo

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