Brasilien: Indio-Woche zwischen Kritik, Hoffnung und Feierlichkeiten

Mit einem feierlichen Akt ist am Montag (16.) in Brasília die “Woche der Indios“ eingeleitet worden. Viel zu feiern gibt es allerdings nicht. Die Bestrebungen zur Beschneidung ihrer Rechte auf ihr angestammtes Land halten an.

Indios in São Felix do Xingu – Foto: Aldarey Tamandare/AgenciaPara

Die Nicht- oder nur zögerliche Ausweisung von Indio-Territorien führt immer wieder zu Konflikten und auch Toten. Sie führt aber auch zur Bedrohung der Kultur verschiedener Völker. Ohne ihr angestammtes Land fehlt ihnen ihre Lebensgrundlage und auch die ihrer Weltanschauung. Ein Beispiel ist das Volk der Manoki.

Sie kämpfen seit Jahrzehnten um ihr Land. 2008 wurde ihr Indio-Territorium endlich vom Justizministerium anerkannt. Rechtskräftig ausgewiesen ist es indes noch nicht, weil Fazendeiros und Landwirte vor Gericht dagegen Klage eingelegt haben.

Für die Manoki ist das von ihnen beanspruchte Land von großer Bedeutung. Dort befinden sich die Gräber ihrer Vorfahren. Nach ihren Bräuchen müssen diese gut behandelt und mit Essen versorgt werden. Nur dann sorgen sie für Gesundheit und die Einheit des Volkes, wie der Anthroploge André Lopes erklärt.

Zur Verhängnis wird ihnen jedoch der Soja-Boom. Das Territorium Manoki befindet sich in einem der größten Soja-Anbau-Gebiete Brasliens. Bis 2016 sind laut dem Raumforschungsinstitut Inpe 37.400 Hektar, etwa 18 Prozent, des gesamten Territoriums bereits abgeholzt worden.

Weil die Manokis der Zerstörung nicht weiter zusehen wollen, unternehmen sie regelmäßig Kontrollzüge in dem eigentlich ihnen zugedachten Gebiet. Mit GPS registrieren sie dort illegale Aktivitäten wie Holzeinschläge, Brandrodungen, die Ausweitung des Soja-Anbaus und der Rinderhaltung.

Von der Umweltbehörde Ibama und dem Staatsministerium werden die Zerstörungen bestätigt. Mangels Beweisen werden die Verantwortlichen für die Zerstörung jedoch meist nicht zur Rechenschaft gezogen.

Eingeführt haben sie auch zwei- bis dreitägige Exkursionen in das Territorium. Mit ihnen sollen die jüngeren des Volkes von den Älteren das Fischen und Jagen lernen, medizinische Pflanzen kennenlernen und auch mehr über die Geschichte des Volkes, die Mythen und den Glauben erfahren.

Ob und wann ihr Gebiet endlich homologiert wird, ist indes offen. Präsident Michel Temer hat im vergangenen Jahr den „Marco temporal“ unterzeichnet. Nach dieser Regelung dürfen Indio-Territorien nur noch dann ausgewiesen werden, wenn die Indios 1988 auf dem von ihnen beanspruchten Land gesiedelt haben. Wie bei den Manoki trift das in 90 Prozent der Fälle nicht zu, weil sie vorher davon vertrieben worden sind.

Das Staatsministerium sieht im „Marco temporal“ einen Verstoß gegen die Konstitution Brasiliens und auch gegen internationale Abkommen zu den Menschenrechten. Im März hat zudem der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte Brasilien zur Ausweiung eines Indio-Territoriums für das Volk Xukuru und zu Schadensersatzzahlungen veruteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Brasilien gegen die Rechte der indigenen Völker verstoßen hat.

Auch nach Jahren noch nicht vom Tisch ist die PEC 215. Mit der will vor allem die im Kongress stark vertretene Agrarlobby erreichen, dass künftig nicht mehr die Indio-Behörde Funai für die Ausweisung der Indio-Territorien zuständig ist, sondern der Kongress selbst.

Ein weiteres Problem ist das Ausbluten der Funai. Während die Zahl der Indigenen in den vergangenen Jahren gestiegen ist, muss die Indio-Behörde mit immer weniger auskommen. Seit 1990 wurde die Zahl der Mitarbeiter halbiert. Beinahe halbiert wurde auch das Budget der Funai. Begründet wird dies mit notwendigen Einsparungen, um den Haushalt des Landes zu sanieren.

Währenddessen sieht sich die Indio-Behörde Untersuchungskommissionen gegenüber. Präsident Michel Temer hat die Spitze der Behörde zudem nach politischen Kriterien besetzt. Mit General Franklimberg Ribeiro Freitas wurde darüber hinaus ein Militär zum Interimspräsidenten der Funai ernannt.

Zumindest am “Tag der Indios“ (19.) werden all die Probleme der Urvölker Brasiliens auch in den Medien angesprochen werden. Dann wird aber auch die von Cacique Tukumbó Dyeguaká in die Indiosprache Tupi-Guarani übersetzte Hymne Brasiliens ertönen.

Mit der Übersetzung fühlen wir uns nicht mehr ausgeschlossen, wie er sagt, sondern werden zu Wurzeln des bunten Gemisches der Kulturen, die das brasilianische Volk stellen.

Nach dem Zensus des brasilianischen Statistikamtes IBGE aus dem Jahr 2010 leben in Brasilien knapp 900.000 Indios. Sie gehören 305 verschiedenen Ethnien an, die 274 Sprachen sprechen.

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AutorIn: Gabriela Bergmaier Lopes

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