Das indigene Volk der Yanomami ist vom Quecksilber der Goldgräber infiziert

Eine noch unveröffentlichte Untersuchung der “FIOCRUZ” und der “ISA” hat hohe Konzentrationen von Quecksilber bei den Bewohnern des “Indigenen Territoriums Yanomami“ ergeben.

1Marcos Wesley-ISA
Foto: Marcos Wesley / ISA
In einem Territorium zu leben, welches in seinem Untergrund grosse Reserven an Gold birgt, sollte eigentlich für seine Bewohner ein Segen sein und ein Zeichen ihres Reichtums. Unglücklicherweise hat sich diese Situation für das Volk der Yanomami als ein Fluch erwiesen, denn eine vor kurzem durchgeführte Untersuchung durch die “Fundacao Oswaldo Cruz (Fiocruz)“ in Partnerschaft mit dem “Instituto Socioambiental (ISA)“ hat erwiesen, dass die kontinuierliche Invasion von Goldgräbern in ihrem Territorium schwerwiegende Konsequenzen für die Indios gebracht hat: In einigen ihrer Dörfer sind 92% der untersuchten Bewohner von Quecksilber verseucht.

Davi Kopenawa Yanomami, ihr Häuptling und Vertreter der Yanomami-Nation, berichtete im März 2013: “Die Goldgräber sind sehr zahlreich und arbeiten gesetzeswidrig in unseren Flüssen, und ausser der von ihnen verursachten ambientalen und gesellschaftlichen Zerstörung, haben wir den Verdacht, dass sie unser Volk mit dem Quecksilber, welches sie zu ihrer Arbeit benutzen, vergiften“!

Um einer Bitte der Organisation “Hutukara Associacao Yanomami (HAY)“ und der Vereinigung des Volkes “Ye’kwana do Brasil (Apyb)“ zu entsprechen, besuchte eine wissenschaftliche Equipe 19 Dörfer im November 2014. Dort wurden insgesamt 239 Haarproben entnommen, unter Bevorzugung der verletzlichsten Teile der Bevölkerung:

Kinder, Frauen in reproduktivem Alter und Erwachsene, die mit den Goldgräbern und ihren Aktivitäten Kontakte unterhalten. Ausserdem wurden 35 Proben von Fischen entnommen, welche zur Grundnahrung dieser Indios gehören. Diese Untersuchungen wurden in den Regionen von Papiú und Waikás durchgeführt, im Lebensraum der Ethnien Yanomami und Ye’kwana.

3Guilherme Gnipper FUNAI
Goldschürfer am Rio Uraricoera | Foto: Guilherme Gnipper / FUNAI

Der alarmierendste Fall betraf die Yanomami-Kommune von Aracacá, in der Region von Waikás, wo 92% aller Proben einen hohen Verseuchungs-Index anzeigten. Im Fall dieser Kommune befindet sich das Goldgräberlager viel näher an ihrem Dorf als bei den anderen untersuchten Beispielen. Etwa im Fall der Region von Papiú, wo man die niedrigsten Indizien der Verseuchung festgestellt hat (6,7% der analysierten Proben) ist die Zahl der Goldgräber wesentlich niedriger.

Wie stellt sich eine Vergiftung mit Quecksilber dar?

Quecksilber wird von den Goldgräbern traditionell dazu benutzt, eine Trennung des Goldes von den restlichen, an diesem Edelmetall haftenden Sedimenten zu erreichen. Ein Teil dieser hochgiftigen Substanz wird in die Flüsse und Bäche gekippt, der andere verflüchtigt sich in der Luft. Aus der Luft schlägt er sich später wieder im Umkreis des ausgebeuteten Areals als kontaminierter Regen nieder. Die Wasser der Flüsse, und die Fische, welche das Quecksilber aufnehmen, verschleppen die giftigen Substanzen in weiter entfernte Gebiete. Die Kontaminierung der Menschen geschieht besonders durch den Verzehr von befallenen Fischen – vor allem der Raubfische und anderen grösseren Exemplaren.

Die Auswirkungen des Quecksilbers

Quecksilber ist ein hochgiftiges Metall, und seine Schäden sind in der Regel bedeutend und permanent: Es führt zu direkten Veränderungen am zentralen Nervensystem, verursacht Orientierungs- und motorische Probleme, den Verlust der Sehkraft, Herzkrankheiten und andere schwerwiegende Schäden. Bei schwangeren Frauen sind die Folgen noch gravierender, denn das Quecksilber verursacht irreparable Deformationen des Fötus.

Die Goldsuche innerhalb des Indio-Territoriums Yanomami

Die illegale Suche nach Gold hat bereits tiefe Wunden im Volk der Yanomami und ihrem Territorium hinterlassen. Man schätzt, dass zwischen 1986 und 1990 zirka 20% der indigenen Bevölkerung (1.800 Personen) an Krankheiten und den Gewaltaktionen gestorben sind, die von 45.000 Goldsuchern verursacht wurden, die das ihnen per Gesetz zugesprochene Territorium invadierten.

2Guilherme Gnipper FUNAI
Foto: Guilherme Gnipper / FUNAI

Die Invasion und der durch die Goldgier verbreitete Schrecken erreichte dann in den 1990er Jahren den absoluten Höhepunkt in einer Episode, die durch ihre Barbarei weltweit für Empörung sorgte: Im Juli 1993 überfielen Goldsucher ein Yanomami-Dorf und ermordeten durch Erschiessen und mit Haumessern 16 Indios, darunter alte Menschen, Frauen und Kinder. Die später als “Massaker von Haximu“ bezeichnete Barbarei wurde als erster Fall dieser Art, vor der brasilianischen Justiz verhandelt, und die Angeklagten wegen Völkermord verurteilt.

Die Goldsuche stellt weiterhin eine lebensgefährliche Bedrohung der Yanomami und Ye’kwana dar. Seit 2014 nimmt die Invasion ihres Territoriums durch die Goldsucher wieder zu. Heute befinden sich, nach Schätzungen, zirka 5.000 Personen illegal innerhalb des Reservates der Yanomami. Die zahlreichen Denunzierungen durch die Indios bringen keinerlei Ergebnisse durch effektive Aktionen seitens der verantwortlichen Regierungsorgane. Wenn weiterhin nichts Konkretes getan wird, ist ein neues “Haximu“ bereits abzusehen.

Um die illegale Goldsuche im Indio-Territorium Yanomami zu beenden, muss man die Investoren des Ganzen dingfest machen – sie sind es, die jene Aktivitäten unterstützen und die eigentlichen Gewinne abschöpfen. Dazu muss man die Route des Goldes entdecken, das heisst, welche Transportwege das Gold nimmt, und wo sich seine Endstation befindet.

In diesem Sinne hat die Staatspolizei zwei Operationen durchgeführt, die jedoch lediglich den Rand jenes Deckmantels gelüftet haben, der diese Aktivitäten verschleiert: Die Operation “Xawara“, im Jahr 2012, und die Operation “Warara Koxi“, 2015. Ausser ein paar Geschäftemachern und Besitzern von Flugzeugen im Bundesstaat Roraima, fanden sie heraus, dass das Gold an eine “Distribuidora de Valores e Títulos Imobiliários (DTVM)“ – eine staatlich gelenkte Immobilien-Maklerfirma – fliesst, deren Sitz sich auf der Avenida Paulista, der “Wall-Street von São Paulo“ befindet.

Fazit: Das in den grossen Finanzzentren Brasiliens kommerzialisierte Gold trägt in sich auch das Leid des Volkes der Yanomami!

Ethische Aspekte der Untersuchung

Der Sammlung der Haarproben im November 2014 gingen Konsultationen der Indios voraus, die dann die Entfernung von Proben ihrer Haare autorisierten – unter der Bedingung, dass sie nach der Analyse wieder zurück gegeben würden. Diese Bedingung erklärt sich durch die bei den Yanomami traditionelle Sitte, dass im Fall des Todes eines Stammesmitglieds sein gesamter Besitz und alle seine Körperteile verbrannt werden.

Und sie ist eine Vorsichtsmassnahme gegen die Wiederholung eines Vorfalls, der sich bei ihnen im Jahr 1970 ereignete, als us-amerikanische Wissenschaftler zahlreichen Yanomami Blut entnahmen, um es in ihren Labors in den USA zu untersuchen – dieser Fall entwickelte sich damals fast zu einem diplomatischen Disaster zwischen Brasilien und den USA, mit dem Ergebnis, dass die Amerikaner den Yanomami ihre Blutkonserven zurückschickten.

Die Übergabe an die brasilianische Staatsanwaltschaft

Eine Kommission bestehend aus Führungspersönlichkeiten der Yanomami und Ye’kwana, sowie Vertretern der Fiocruz und der ISA, begaben sich im März 2016 zum Regierungssitz in Brasília, um das Untersuchungsergebnis hinsichtlich ihrer Kontaminierung den verantwortlichen Organen zu unterbreiten.

Die Kommission übergab Kopien an die Präsidenten der FUNAI und der IBAMA, an den Koordinator des Sekretariats für Indigene Gesundheit, an die Staatsanwaltschaft und auch an die Sonderbeauftragte für Indigene Rechte der UNO, die sich gerade zu einem Besuch in der Hauptstadt Brasília aufhielt. Die indigenen Führer verlangten, unter anderem, die sofortige Entfernung der Goldsucher aus dem Indio-Territorium Yanomami, sowie die medizinische Behandlung ihrer Stammesgenossen, deren Körper vom Quecksilber infiziert sind.

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