Doku über Umweltzerstörung in Brasilien feiert Kinopremiere

Seit Jahren kämpfen die Ureinwohner der Regenwälder Brasiliens um der Erhalt ihres Lebensraumes. Doch extensive Rodungen für den Anbau von Monokulturen oder Viehwirtschaft zerstört immer größere Flächen der Indios im Mittelwesten Brasiliens. Die Dokumentation „Kahlschlag – Der Kampf um Brasiliens letzte Wälder“ von Filmemacher Marco Keller erzählt in authentischen aber auch verstörenden Bildern vom verzweifelten Kampf der Guarani-Kaiowá im Bundesstaat Mato Grosso do Sul ums Überleben.

Das Abaton-Kino in Hamburg ist ausverkauft, bis auf den letzten Platz besetzt. Es ist eine bedrückende Stimmung zu spüren, während die Dokumentation „Kahlschlag – Der Kampf um Brasiliens letzte Wälder“ zur offiziellen Premiere am Dienstagabend (13.) läuft. Die Gesichter der Besucher zeigen angestrengte, angespannte Mienen, die angeregt die Dialoge und Aussagen der Opfer mitlesen, die mit voller Absicht nur untertitelt wurden, um die Authentizität zu bewahren.

Es geht um geklaute Grundstücke, die Ausweitung von Äckern und Weideflächen, um den sprichwörtlichen Kahlschlag der Urwaldlandschaft Brasiliens – und natürlich um viel Geld. Ja, das Interesse der Öffentlichkeit ist mittlerweile größer geworden, an den Machenschaften der industriellen Chemiekonzerne, die seit wenigen Jahrzehnten immer mehr Monokulturen produzieren, welche wiederum die Existenzen der dort seit Jahrhunderten lebenden Völker und Stämme zerstören.

Die Guarani-Kaiowá Indios zum Beispiel sind in ihrem Kampf um Land und Würde konfrontiert mit der expandierenden industriellen Landwirtschaft in Mato Grosso do Sul. Während sich die in der Verfassung verankerte Rückgabe ihrer traditionellen Gebiete um Jahre und Jahrzehnte verzögert, breiten sich die Viehzucht und der Anbau von Soja und Zuckerrohr immer weiter aus.

Um nichts anderes geht es in „Kahlschlag – Der Kampf um Brasiliens letzte Wälder“, der bereits auf dem Filmfestival „Globale Rio“ in Rio de Janeiro gezeigt wurde und im vergangenen Jahr den deutschen Filmpreis „Die goldene Filmspule“ erhielt. Nach fast 90 Minuten authentischer und daher mehr als verstörender Einblicke gibt es in dem Traditionskino an der Alster zwar nur kurzen, zögerlichen Applaus, die anschließende Fragestunde will jedoch kein Ende nehmen.

Dort stellt sich unter anderem auch Sarah Wiener, die sich seit 2011 als deutsche Botschafterin der „UN-Dekade Biologische Vielfalt“ stark macht, den Fragen der Zuschauer. Sie lässt sich dabei einen kleinen Exkurs nicht nehmen und klärt noch einmal darüber auf, dass der Fleischverzehr – der in ärmeren Ländern als eine Art von hohem Wohlstand gilt, kann man sich denn täglich Schlachtgut auf den Teller legen – prinzipiell abzulehnen ist. Vielmehr sei eine vegetarische Lebensweise der Schlüssel zur Gesundheit.

Die gebürtige Österreicherin, die man außerdem auch als Fernsehköchin und Buchautorin kennt, wirbt daher auch gleich damit, auch in Mitteleuropa auf den Verzehr von Rind und Co. komplett zu verzichten: „Fleisch verursacht außerdem Krebs!“ fügt sie wagemutig hinzu. Natürlich weiß auch sie, dass die Wälder in Brasilien weiter abgeholzt werden, um Weideflächen und Platz für Tiere zu schaffen. Schließlich müsse der anhaltend steigende Bedarf der Welt gedeckt werden. Denn „die Ware wird von Brasilien nach Holland verschifft, um sie dort weiter zu verarbeiten und zu verteilen“, so die Unternehmerin abschließend.

Antworten gibt selbstverständlich auch Filmemacher Marco Keller, der zum Premierenstart extra in die Hansestadt gereist ist. 2000 war er das erste Mal in Brasilien und lernte dabei die Völker, über die er so eindrucksvoll berichtet, persönlich kennen. Unter nicht gerade ungefährlichen Bedingungen brachte er vor einigen Jahren den Film zu Ende. Die Großindustrie verweigerte ihm dabei jedoch sämtliche Antworten auf seine vielen Fragen.

„Sie haben die Macht, unbequeme Gegner einfach durch Gewalt verschwinden zu lassen. Zum Glück ging alles gut, aber Angst hatte ich doch ein wenig“, berichtet der Regisseur über die Dreharbeiten. Dafür sprechen aber die Schilderungen der Einheimischen, die schonungslos aufzeigen, unter welchen Umständen sich die Lebensverhältnisse verschlechtert haben, gewaltig für sich.

Marco Keller porträtiert und zeigt eindrucksvoll genau aus diesem Grund die Menschen, die nicht mehr wissen, wie sie sich ernähren sollen. Viele begingen einfach Selbstmord, um nicht vor Hunger sterben, nicht elendig verrecken zu müssen. Zum Verständnis: Wenn der Regenwald unwiederbringlich abgeholzt wird, wächst noch nicht einmal mehr Gras. Der Boden versteinert einfach, wird sofort unfruchtbar. Auch der Grundwasserspiegel sinkt in unerreichbare Tiefen. Die Folgen sind klar, eine Aufforstung nicht mehr möglich.

In gewaltigen und aggressiven Sprüngen zwischen verschiedenen Orten Brasiliens und durch die authentischen Erzählungen der Protagonisten wird in dieser sehenswerten Dokumentation mehr als deutlich, dass es den Kleinbauern, ob hier oder dort, an fast allem mangelt. Der Einblick in diese unerwartete Armut ist verstörend und erschütternd zugleich. Wenn die verzweifelte Suche nach Wasser das Tagesziel oder der Hauptlebensinhalt bedeuten, ist klar, dass sich die Ureinwohner mit der Tatsache konfrontiert sehen, ihre letzte Lebensgrundlage komplett zu verlieren. Nach diesem aussichtslosen Kampf bleibt ihnen nur noch eines, an das sie sich klammern können: die Resignation!

„Kahlschlag – Der Kampf um Brasiliens letzte Wälder“ ist ein empfehlenswertes Werk! Hier kann man nur die volle Punktzahl geben. Zu sehen ab 13. März 2012 bundesweit in ausgewählten Kinos. Mehr Informationen unter http://kahlschlag-derfilm.de

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Aus unserer Redaktion · Bildquelle: Jörn Ehrenheim / IAPF

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