Amazonien: Ende der Brände nicht in Sicht

Nach dem Einsatz des Militärs zur Feuerbekämpfung in der Amazonas-Region hat die Zahl der Brandherde zunächst abgenommen. Seit Mittwoch (28.) werden jedoch wieder Zunahmen registriert, wie die Zahlen des Raumforschungsinstitutes Inpe zeigen.

Amazonas brennt – Foto: OP Verde Brasil17

Allein am Donnerstag (29.) sind in den neun brasilianischen Amazonas-Bundesstaaten auf den vom Inpe ausgewerteten Satellitenbildern 2.300 Brandherde gezählt worden. Im Amazonas-Regenwald waren es 1.255 neue Brandherde.

Im gesamten Monat August sind in Amazonien 30.901 Brände registriert worden, während der Durchschnitt der vergangenen Jahre für diesen Monat bei 25.853 liegt. Traurige Rekorde wurden im August 2010 mit 45.018 und 2005 mit 63.764 Brandherden verzeichnet.

Das von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro vergangene Woche erlassene Verbot zum Abbrennen von Flächen scheint wenig zu wirken. Spezialisten hatten bereits darauf verwiesen, dass dieses Dekret ohne Kontrollen kaum Wirkung zeigen werde.

Sie befürchten zudem noch eine Zunahme der Feuerstellen in den kommenden Wochen, da die Trockenperiode bis Ende Oktober reichen kann. Aufzeichnungen aus den Vorjahren zeigen einen Höhepunkt der Brandherde im Monat September.

Rodungsflächen als Zündstoff

Die Zahl der Brände repräsentiert die der Kahlschläge, wie der Präsident des brasilianischen Institutes zum Umweltschutz (Proam), Carlos Bocuhy, konstatiert. Der feuchte Regenwald bietet kaum Brennstoff, anders die gerodeten Flächen. Während der Trockenperiode werden sie zum Treibstoff und darüber hinaus oft bewusst angezündet, um sie für eine Beweidung vorzubereiten.

Auch die Rodungen haben im Vergeich zum Vorjahr in den vergangenen Monaten zugenommen. Nach dem Inpe-Warnsystem Deter sind in Amazoinien zwischen Januar und Juli 2018 2.810 Quadratkilometer gerodet worden. Im gleichen Zeitraum dieses Jahres waren es 4.698 Quadratkilometer.

Vom Verteidigungsministerium heißt es, die Brände seien unter Kontrolle. Brasiliens Regierung bezweifelt nach wie vor die vom Inpe und anderen Organisationen registrierten Zahlen der Rodungen und Brandherde.

Der rechtspopulistische Präsident hat es zudem bisher nicht für notwendig gehalten, sich vor Ort ein Bild über die Zerstörung zu machen. Stattdessen hat er einige seiner Minister in die Region entsendet.

Druck löst Reaktionen aus

Dennoch wurde auf den Druck von Außen reagiert. Neben den Dekreten zum Einsatz von Militär und dem Feuerverbot, ist auch die Generalanwaltschaft der Union (AGU) aktiv geworden. Sie hat die Einrichtung einer eigenen Arbeitsgruppe zur Einforderung der Bußgelder angekündigt.

Abholzung Amazonas – Foto: OP Verde Brasil17

In der Vergangenheit sind für Rodungen oder andere Umweltvergehen verhängte Bußgelder nur selten oder in voller Höhe bezahlt worden. Gefördert wurde damit das Gefühl der Straflosigkeit. Das soll sich ändern. AGU-Minister Andre Mendonça will nicht nur anhängige Bußgelder einfordern, sondern bei Nichtbezahlung auch die Beschlagnahmung von Vermögen prüfen.

Brasiliens Präsident lässt derzeit eine internationale Kampagne vorbereiten, um das Ansehen Brasiliens und seiner Umwelt- und Amazonaspolitik zu verbessern. Dem liegt nicht nur der Druck aus Europa zu Grunde. Auch im eigenen Land steigt der Druck verschiedener Sektoren. Selbst das Agrobusiness hat zum Umdenken aufgerufen, nachdem Boykotte von brasilianischen Produkten befürchtet werden.

Unter der Bevölkerung Brasiliens regt sich ebenso Widerstand. Nach einer vom Institut Datafolha Ende August durchgeführten Umfrage missbilligen 51 Prozent der Befragten die Art, wie die Regierung mit den Bränden und Rodungen umgeht. Gut geheißen wird sie lediglich von 25 Prozent. 75 Prozent befinden zudem das internationale Interesse am Amazonas-Regenwald für legitim.

Kontrollen mit Schußwechsel und Festnahmen

Kritik gibt es auch von den Gouverneuren der Amazonas-Bundesstaaten. Sie fordern permanente Maßnahmen und Kontrollen. Zumindest momentan wurden die Kontrollen verstärkt, die von Bolsonaro in der Vergangenheit stets als “shiitisch“ bezeichnet wurden. In den vergangenen Tagen wurden indes Bußgelder in Millionenhöhe verhängt. Auch zu Festnahmen ist es gekommen.

Nahe der Terra Indígena Ituna-Itatá im brasilianischen Bundesstaat Pará ist es bei Kontrollen zu einem Schußwechsel gekommen. Von Polizisten und Militäragenten begleitete Mitarbeiter der Umweltbehörde Ibama hatten dort einen illegalen „garimpo“ (Schürfbereich) entdeckt und zerstört, als vom Wald aus auf sie geschossen wurde.

In São Felix do Xingu sind 1.200 Rinder auf einer Rodungsfläche sichergestelt worden. Dort wurden ebenso dutzende Kanister mit Benzin beschlagnahmt. Mit ihnen soll im Schutzgebiet Triunfo do Xingu Feuer gelegt worden sein. Über 5.000 Hektar Wald wurden nach Polizeiangaben abgebrannt.

Ein Fazendeiro, sein Bruder und der Manager der Fazenda stehen im Verdacht, über 50 Männer dazu beauftragt haben, 20.000 Hektar Wald zu roden und zu “säubern“. Der Inhaber der Fazenda wurde festgenommen. Die Region im Süden Parás, zu der auch São Felix do Xingu zählt, hat mit die höchsten Zahlen an Rodungen und Bränden verzeichnet.

Unproduktive Rinderweiden statt Urwald

Viele der gerodeten Urwaldflächen werden in Weiden verwandelt. Nach Daten des Projektes MapBiomas werden sechs Hektar von zehn Hektar gerodeter Flächen des Amazonas-Regenwaldes nach der Zerstörung beweidet, drei Hektar bleiben offen und ein Hektar geht auf das Konto des illegalen Bergbaus, der intensiven Landwirtschaft und der Ausbreitung von Siedlungen.

Die Rinderweiden haben 2018 in der Amazonas-Region bereits 53 Millionen Hektar eingenommen. 2005 waren es 45 Millionen Hektar. Experten verweisen allerdings auf die geringe Produktivität der ehemaligen Urwaldflächen als Weiden.

Präsident Bolsonaro spricht von einer notwendigen, wirtschaftlichen Entwicklung der Amazonas-Region, um den dort lebenden 20 Millionen Menschen ein Auskommen zu ermöglichen. Dem muss sich nach seiner Meinung die Umweltpolitik unterordnen.

Studien zeigen: Intakter Regenwald lukrativer als Rodungsflächen

Forscher sind sich indes darüber einig, dass der intakte Regenwald lukrativer sei, als dessen Rodung. Ricardo Abramovay von der Universität São Paulo (USP) führt als ein Beispiel die nachhaltige Nutzung und selektive Baumentnahme an, für die bereits Zertifizierungssysteme existieren.

Raoni Rajão von der Universität Minas Gerais (UFMG) hat die Produktion von Soja und der Palmfrucht Açaí verglichen. Nach seiner Studie wurde 2015 mit einem Hektar Soja ein Wert von 2.765 Reais erzielt, während ein Hektar mit Açaí-Palmen 26.844 Reais erreichte.

Der Saft der Açaí-Frucht wird vor allem unter Sportlern als energetischer Trank geschätzt. Auch Samen, Honig, Nüsse und Öl verschiedener Früchte und Kastanien werden als Einnahmequellen angeführt.

Unterstützt wurden Projekte zur Entwicklung dieser alternativen Formen der nachhaltigen Nutzung des Amazonas-Regenwaldes in der Vergangenheit unter anderem über den Amazonas-Fundus. Der ist momentan allerdings blockiert, weil Bolsonaro kurzerhand das Ratsgremium des Fonds aufgelöst und Umweltminister Ricardo Salles mit Änderungsvorhaben die Hauptgeldgeber Norwegen und Deutschland vor den Kopf geschlagen hat.

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AutorIn: Gabriela Bergmaier Lopes

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