Brasilianer sagen „Nein“ zu bisherigen Abgeordneten und Senatoren und entscheiden Rechtsruck

Die Wahlen vom Sonntag (7.) haben deutlich gemacht, dass die Brasilianer Veränderungen wollen. Erstmals werden über 50 Prozent der Abgeordneten ausgetauscht werden, die Erneuerungsrate im Senat liegt sogar bei 85 Prozent.

Nach der Wahl – Foto: Antonio Cruz/AgenciaBrasil

Großer Gewinner ist die Partei PSL (Partido Social Liberal), der der rechte Präsidentschaftskandidat Jair Bolsonaro seit Anfang 2018 gehört. Bolsonaro gilt als „Parteienhüpfer“. Während seiner politischen Karriere hat er bereits siebenmal die Partei gewechselt.

Für die bis dato kleine PSL hat das einen ungeahnten Aufschwung gebracht. Bisher war sie lediglich mit einem einzigen Mitglied im Abgeordnetenhaus vertreten. Ab Januar wird die PSL hingegen 52 Sitze inne haben und damit die zweitstärkste Partei des brasilianischen Parlaments sein.

Gepunktet haben ebenso etliche andere kleine Parteien. Das Ergebnis ist ein Flickenteppich von nunmehr 30 Parteien in der Abgeordnetenkammer. Bis dato waren es 25.

Die größte Partei bleibt nach wie vor die Arbeiterpartei PT. Sie hat zwar 13 Sitze einbüßen müssen, stellt aber immer noch 56 der 513 Abgeordneten. Bei den eher linksstehenden Umweltparteien PSOL, PV (Grüne) und Rede gab es kein einheitliches Verhalten.

Während die Grünen (PV) vier ihrer acht Sitze verloren hat, konnte PSOL von fünf auf zehn ausbauen. Rede (Netz) der ehemaligen Umweltministerin Marina Silva wird erstmals mit einem Mitglied ins Parlament einziehen.

Die großen Verlierer sind hingegen die konservativen Zentrumsparteien PSDB und MDB (vormals PMDB). Letzterer gehört der noch amtierende Präsident Brasiliens Michel Temer an, der im Mittelpunkt verschiedener Korruptionsermittlungen steht. Gleiches gilt für etliche seiner Minister und andere MDB-Mitglieder.

Bis dato stellte die MDB mit 66 Vertretern die höchste Zahl der Abgeordneten. Jetzt hat sie gleich 32 Sitze eingebüßt und ist nur noch mit 34 vertreten. Die PSDB musste eine Abnahme von 25 Sitzen hinnehmen. Statt der bis dato 54 Vertreter wird sie ab Januar nur noch 29 Mitglieder im Abgeordnetenhaus haben.

Insgesamt hat weniger als die Hälfte der 513 Abgeordneten eine Wiederwahl geschafft. Ähnlich sieht es im Senat aus. Die Amtsperiode der Senatoren beträgt acht Jahre. Alle acht Jahre stehen zwei Drittel der 81 Senatsstühle zur Wahl. Von den 32 Senatoren, die sich wieder zur Wahl gestellt haben, hatten dieses Mal jedoch nur acht Erfolg.

Rausgefallen sind traditionelle Politiker, die über Jahrzehnte hinweg auf verschiedenen Sphären der Politszene vertreten waren, wie Ex-Präsidentin Dilmar Rousseff, der bisherige Senatspräsident Eunício Oliveira oder Ex-Energieminister Edison Lobão.

Bei den Senatswahlen haben die Arbeiterpartei PT und Temers MDB am stärksten verloren. Beide müssen künftig auf sieben Senatssitze verzichten. Die MDB wird dennoch künftig sieben Senatoren stellen, die PT hingegen nur noch vier. Auch die Zahl der von der PSDB besetzten Stühle ist von sechs auf vier gesunken, während die PSL erstmals mit vier Senatoren Einzug halten wird.

Größter Gewinner bei den Senatswahlen ist hingegen Marinas Rede. Die junge Partei wird ab Januar zum ersten Mal im Senat vertreten sein, und das auf Anhieb mit fünf Vertretern.

Eine Absage wurde auch der traditionsreichen Politikerfamilie Sarney erteilt. Ex-Umweltminister Sarney Filho hat die Wiederwahl zum Senator nicht geschafft. Eine Niederlage einstecken musste auch die Ex-Gouverneurin Maranhãos, Roseana Sarney.

Während traditionellen Politikerfamilien Rückschläge verzeichnen mussten, ist Bolsonaros Familie ein Raketenhafter Aufstieg gelungen. Der ebenso rechtsgerichtete Sohn Bolsonaros, Eduardo, hat dabei einen Rekord unter den Abgeordneten Brasiliens geschafft.

Er ist mit 1,8 Millionen Stimmen in die Abgeordnetenkammer gewählt worden. Eine so hohe Zahl hat bisher kein anderer erreicht. Bolsonaros Sohn Flávio wurde indes mit stolzen 4,2 Millionen Stimmen zum Senator gewählt. Auch er verteidigt ähnlich wie sein Vater die Militärdiktatur und andere ultrarechte Ansichten.

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AutorIn: Gabriela Bergmaier Lopes

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