Proteste und Telefonabhörungen halten Brasilien weiterhin in Atem

Einmal mehr sind in vielen brasilianischen Städten Freitagabend (18.) hunderttausende Menschen auf die Straßen gegangen, dieses Mal zur Unterstützung der Regierung Dilma Rousseffs und ihres Vorgängers Luiz Inácio Lula da Silva. Währenddessen hat ein Richter vom Obersten Gerichtshof (STF) den Amtsantritt Lulas als Kabinettschef blockiert. Eingerichtet worden ist zudem eine Kommission, die über ein mögliches Amtsenthebungsverfahren Rousseffs entscheiden soll.

Die Demonstrationen vom Freitag (18.) wurden bereits am Sonntag (13.) angekündigt, der durch Massenproteste gegen die Regierung gekennzeichnet war. Allerdings hatten nur wenige mit einem so großen Zuspruch gerechnet. In São Paulo haben nach Angaben der Organisatoren 380.000 Menschen für Rousseff und Lula protestiert. Wie schon bei anderen Demonstrationen weichen die Angaben der Polizei davon ab. Sie spricht von 80.000 Teilnehmern.

Proteste gegen die Amtsaufhebung der Präsidentin - Foto: Daniel Isaia/Agência Brasil
Proteste gegen die Amtsaufhebung Präsidentin Dilmas – Foto: Daniel Isaia / AgênciaBrasil

Die Bilder der Fernsehsender zeigen indes eine von Menschen gefüllte Avenida Paulista. Unter ihnen befand sich auch Lula, der gegen 19 Uhr mit einer kämpferischen Rede für Anfeuerungsrufe sorgte. Zu Demonstrationen ist es auch in Rio de Janeiro, Fortaleza, Belo Horizonte und etlichen anderen Städten gekommen. Bis zum Abend hieß es, dass in mindestens 55 Städten Proteste pro Regierung registriert worden sind. Von den Organisatoren wird die Teilnehmerzahl landesweit mit 1,2 Millionen angegeben, von der Polizei mit 269.000.

Neben der Unterstützung für Rousseff und Lula gab es ebenso Kritik an Richter Sérgio Moro, der die Ermittlungen im Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras leitet. Er hat am Mittwoch nach der Ernennung des Ex-Präsidenten zum Minister der Casa Civil abgehörte Telefongespräche Lulas mit der Präsidentin, Regierungspolitikern, Anwälten und anderen veröffentlichen lassen. Seitdem überschlagen sich die Nachrichten beinahe stündlich.

Mehrmals wurde der Amtsantritt des ehemaligen Regierungschefs supsendiert und die Suspendierung kurz später von höherer Stelle wieder aufgehoben. Am Freitagabend hat nun der als regierungskritisch bekannte Richter Gilmar Mendes vom Obersten Gerichtshof eine erneute Blockierung ausgesprochen und angeordnet, dass die Untersuchungen gegen Lula weiterhin von Sérgio Moro geführt werden.

Für Lula könnte dies schwere Folgen haben. Mit der Ernennung zum Minister wäre für die Ermittlungen gegen ihn nicht mehr Moro, sondern der Oberste Gerichtshof zuständig gewesen. Moro hat Untersuchungen gegen Lula im Zusammenhang mit dem Korruptionsskandal geführt, bei dem es um Schmiergelder und Vorteilnahme geht.

Vorgeworfen wird Rousseff, ihren Vorgänger nur deshalb in ihr Kabinett geholt zu haben, um ihn vor den Ermittlungen der normalen Strafgerichte zu schützen, was durch die veröffentlichten Telefongespräche belegt werden soll. Sie argumentiert hingegen mit einer Stärkung der Regierung durch den charismatischen Ex-Präsidenten.

Unterdessen sorgen die Abhörungen für Furore. Ihre Veröffentlichung ist selbst unter Juristen nicht unumstritten, zumal auch die Regierungschefin davon betroffen ist, die bei dem Kampf um die politische Macht im Lande immer weiter unter Druck gerät. Eingerichtet worden ist im Kongress mittlerweile eine Kommission, die über die umstrittene Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens entscheiden soll, das mit der mutmaßlichen Verschönung von Haushaltszahlen begründet wird.

Ein “Impeachment“ wurde von den Demonstranten vom Freitag einmal mehr als “Golpe“ (Staatsstreich) bezeichnet. Kritik gab es ebenso am Präsidenten des Abgehordnetenhauses, Eduardo Cunha, der sich wegen geheim gehaltener Konten in der Schweiz, Geldwäsche und Schmiergeld vor dem Obersten Gericht verantworten muss.

Zu den Protesten aufgerufen hatten 60 verschiedene Organisationen, soziale Bewegungen und Gewerkschaften.

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AutorIn: Gabriela Bergmaier Lopes

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