Geschichte Mai 2009

Zuletzt bearbeitet: 20. September 2012
Man erzählt sich, dass einst ein mächtiger, reicher Mann sich entschloss, einen weisen Meister aufzusuchen, der angeblich weit weg vom Trubel der Grossstädte lebte, und von dem diejenigen, welche ihm persönlich begegnet waren, behaupteten, dass er zu den bedeutendsten Gelehrten aller Zeiten gehörte.

Der reiche Mann erwartete von jenem, das dieser ihm neue Ideen vermitteln könnte, durch die er wachsen, seine Macht und seinen Reichtum noch vergrössern würde. Also suchte er nach dem weisen Mann in den besten Häusern des ihm bezeichneten kleinen Dorfes, in der Gewissheit, dass ein so intelligenter Mann ganz bestimmt das Geheimnis des Geldes und der Macht genau kennen würde.

Aber weil er ihn an jenen grösseren und besser gehaltenen Orten nicht zu finden vermochte, entschloss er sich endlich, bei den Einheimischen herumzufragen – und man schickte ihn auf einen langen Weg. Unterwegs entzückte er sich an der herrlichen Landschaft durch die er schritt, rastete im Schatten riesiger Bäume um seiner Haut Erholung von der brennenden Sonne zu gönnen, erfrischte sich aus den kristallklaren Bächen, die er überquerte und lauschte dem Gesang der Vögel rundherum. Und bei jedem neuen Wunder der Natur, dem er begegnete, dachte er: Wenn ich das Geheimnis des Erfolges erst entdeckt habe, kann ich das alles kaufen . . .

Als er schliesslich das Zuhause des Weisen erreichte stellte er fest, dass dieser eigentlich in keinem Haus, sondern eher in eine Art Hütte wohnte, die nur aus einem einzigen Zimmer bestand – vollgestopft mit Büchern, einem wackligen Tisch und einer Sitzbank – alles aus grobem Holz und sonst nichts weiter als eben da Nötigste. Verblüfft begann er mit einer Frage:

“Wo sind Deine Möbel”? – fragte er den weisen Mann. Und dieser, anstelle einer Antwort, fragte zurück: “Und wo sind Deine”?

Und der Besucher, überrascht und verwirrt, antwortete: “Meine Möbel? . . . Ich bin auf einer Reise . . . nur vorübergehend hier . . . dazu brauche ich doch keine Möbel, weil ich nicht lange bleiben werde”!

Worauf der weise Mann ihm entgegnete: “Ich ebenfalls, mein Teurer, ich befinde mich auch nur vorübergehend in diesem Leben . . .” und nachdem er dies gesagt hatte, nahm er die Gelegenheit war, seinem Gast eine Lehre zu erteilen. Er forderte ihn auf, sich mit ihm in den Schatten eines Baumes zu setzen – zusammen hörten sie eine Weile dem fröhlichen Zwitschern der Vögel zu und nachdem sie sich einen Trunk frischen Wassers aus dem Bach neben ihnen genehmigt hatten, räusperte sich der weise Mann und sagte:

“Wenn Du dich von einem Kleinbisschen deiner Besitztümer trennst, wirst Du ein klein bisschen glücklicher. Wenn Du dich von vielem trennst, wirst Du viel glücklicher. Und falls Du dich von allem trennen kannst, wirst Du frei sein – und vollkommen glücklich”!

Ihre Janice Drummond Reynolds

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