Aré und die Saracuras

Zuletzt bearbeitet: 19. Dezember 2012

Es war vor sehr, sehr langer Zeit, da gab es einen grossen Regen – so viel Wasser fiel vom Himmel herunter, dass die gesamte Erde überschwemmt wurde und Tiere und Menschen gleichermassen Opfer der Fluten wurden. Nur einer von uns, mit Namen Aré, konnte sich retten. Und das kam so: Alles stand bereits unter Wasser, nur die Kronen der der höchsten Palmen ragten noch aus der Flut.

gauchlegenden3Er erreichte sie schwimmend, näherte sich einer Palmenkrone – griff nach einem Stengel – aber der war vertrocknet und riss ab. Er zappelte und kamm auf die abgerissene Blattrispe zu liegen, die ihn zu tragen schien – er paddelte mit seinen grossen Händen und näherte sich einer anderen Palmenkrone, griff diesmal nach einem frischen grünen Stengel und machte sich daran, die Krone zu erklimmen, wo er sich zwischen den kräftigen Palmwedeln niederliess.

Und dort blieb er. Hockte nur da, während die Tage vergingen und ernährte sich von den Palmfrüchten, die langsam zu reifen begannen. Der Regen hatte zwar schon längere Zeit aufgehört, aber das Wasser wollte nicht abfliessen.

Dann liess sich eines Tages ein “Saracura“ auf seiner Palme nieder – ein Vogel, der die Sümpfe als Lebensraum bevorzugt, und der bei uns als Vorbote für den Regen angesehen wird – und er sprach zu unserem Aré: “Ganz in der Nähe ist die Erde wieder zum Vorschein gekommen – warum gehst du nicht dorthin“?

“Kann ich nicht“, meinte Aré, “bin zu schwach… wenn ich meinen Ast hier auf der Palme loslasse, werde ich ertrinken“!

Also entgegnete der Saracura: “Ich werde Erde holen“. Und er trommelte viele Tausende seiner befiederten Kameraden zusammen, die Körbe voller Erde in ihren gebogenen Schnäbeln hielten. Sie schütteten unter Arés Palme einen Erdhügel auf, sodass der endlich heruntersteigen und seine steifen Glieder recken und strecken konnte. Dann ging auch das viele Wasser langsam zurück.

Nun lebte Aré allein inmitten anderer Tiere – ernährte sich nur von Früchten und Wurzeln verschiedener Bäume. Bis eines Tages ein Ibis ihm den Rat gab: “Warum suchst du dir keine Gefährtin? In einer Bucht der Lagune gibt es viele davon – bau dir ein Floss, setz dich drauf, und ich werde einem Schwarm Enten befehlen, dich dorthin zu bringen, wo die Töchter der anderen Leute sind“.

Am nächsten Morgen zogen die Enten sein Floss über den See, mit ihm oben drauf. Tatsächlich entdeckte er am anderen Ufer die Mädchen, die sich im Wasser vergnügten. Als sie sein Floss erblickten, rannten sie erschreckt aus dem Wasser zum Strand – nur eine von ihnen schwamm ihm mutig entgegen. Aré umarmte sie und liess sie nicht mehr los – die Enten zogen das Floss wieder zurück in die Richtung, aus der er gekommen war.

Aufgeregt erzählten die anderen Mädchen ihren Leuten, was geschehen war, und man machte sich an die Verfolgung der Flüchtigen – konnte sie jedoch nicht mehr einholen. Aré nahm das Mädchen zur Frau, und sie hatten viele Kinder.

Nach Padre Carlos Teschauer
“Avifauna e Flora nos Costumes, Superstições e Lendas“
Überarbeitet von Klaus D. Günther für BrasilienPortal
Zeichnung © Edgar Koetz

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