Aus der Geschichte des Bundesstaates Roraima

Zuletzt bearbeitet: 11. Dezember 2020

Die Geschichte der Entdeckung, Besetzung und Kolonisierung der Region welche heute den Bundesstaat Roraima bildet, steht in direktem Zusammenhang mit der damaligen Strategie und den Interessen der Portugiesischen Krone, ihr Territorium auf dem südamerikanischen Kontinent stets zu erweitern. Zum einen motiviert durch Goldfunde, zum andern durch die Notwendigkeit, ihre territoriale Oberherrschaft zu garantieren, die durch Einfall von Spaniern, Engländern, Holländern und Franzosen im Lauf der Geschichte immer wieder bedroht wurde.
Und besonders im brasilianischen Gebiet des heutigen Roraima mussten sie damals ihre Oberherrschaft gegen einen gewissen Nicolaus Horstmann verteidigen, einem Holländer, der aus der damaligen holländischen Kolonie (dem heutigen Surinam) nach Brasilien einmarschiert war und den Rio Branco wie auch den Rio Negro im Jahr 1741 erreichte und anfing, mit den Indianern des Rio Branco regen Handel zu treiben, indem er zur Anfahrt die Flüsse Tacutu und Jauaperi benutzte. Wie die Holländer, so fielen auch die Spanier zwischen 1771 und 1773, vom Rio Orinoco her, in Brasilien ein, liessen sich am Rio Uraricoera nieder, wo sie die Siedlungen Santa Rosa, São João Batista de Cada Cada und Santa Bárbara gründeten.

Die Geschichte Roraima selbst ist eine sehr junge, denn, obwohl Pedro Texeira schon im Jahr 1639 dem Fluss Rio Branco seinen heutigen Namen gegeben hat, errichteten die Portugiesen erst drei Jahrhunderte nach der Entdeckung Brasiliens an seinen Ufern das Fort São Joaquim (1775) als Zeichen ihrer Souveränität in der Region.  

Die eigentliche Besetzung der Gegend geschah dann zuerst durch verschiedene Indianer-Stämme – zwischen 1775 und 1777. In dieser Zeit entstanden fünf Eingeborenen-Kommunen an den Flüssen Uraricoera, Branco und Tacutu, die aber wieder zwischen 1780 und 1781 von den Indianern verlassen wurden, denn sie wollten sich den unverschämten Steuerabgaben, welche die Portugiesen von ihnen verlangten, nicht beugen. 1784 ein neuer Versuch, bei dem die Portugiesen mithalfen, Eingeborene in 4 Dörfern anzusiedeln – der wieder scheiterte (1790) und aus der Geschichte als „Revolte des blutigen Strandes“ (Revolta da Praia de Sangue) bekannt wurde – als sich die Indianer gegen ihre portugiesischen Herren empörten.

Jetzt endlich änderte das portugiesische Imperium seine Strategie: die Kolonisation des Gebietes um den Rio Branco-Fluss wurde nun mit der Einführung von Rindern auf seinen saftigen Uferweiden vorangetrieben, deren Züchter sich in selbstangelegten „Fazendas“ eine neue Heimat schufen. Eine der ersten war die Fazenda São Bento, am Ufer des Uraricoera-Flusses. Es folgte die Fazenda São Marcos, am Ufer des Tacutu-Flusses. Diese Pioniere schufen dann die Voraussetzungen für eine Einwanderung anderer „Brasilianer“ in diese Gegend. 1890 gründeten sie den Distrikt Boa Vista do Rio Branco, welcher zur Provinz São José do Rio Negro gehörte und einem Gouverneur mit Namen Augosto Ximeno Ville Roy unterstand.

Aber direkt nach der Gründung des Distrikts Boa Vista gelang es dem Gouverneur der Provinz nicht mehr, Mittel zur Entwicklung aus der imperialen Kasse genehmigt zu bekommen. Diesem Umstand ist der Niedergang des Forts São Joaquim zu verdanken, sowie anderer Dörfer, die von seiner Administration abhingen. Der letzte Fort-Kommandant war ein Leutnant und nicht ein Major oder General, wie sonst üblich.

Just in dieser schweren Zeit erlebte die Gegend dann den ersten Zustrom nordost-brasilianischer Einwanderer, die vor der Trockenheit ihrer angestammten Heimat oder aus den Reihen der zum Kautschuk-Sammeln gepressten „Gummi-Soldaten“ (wie sie genannt wurden) flohen. Jetzt weckten diese Zuwanderer wieder das Interesse des Provinz-Gouverneurs, Eduardo Ribeiro, der einen Herrn Sebastião Diniz mit dem Auftrag betraute, eine „Picade“ (Schneise) in den Urwald zu schlagen, die Manaus mit Boa Vista verbinden sollte – erste Anstrengungen für die spätere BR-174, die aber den Strom der Einwanderer, besonders aus dem Nordosten, wachsen liess. Zur gleichen Zeit installierten sich hier auch die ersten Benediktiner-Mönche, später abgelöst von den Patern der „Consolata“. Diese religiösen Missionen haben zweifelsfrei einen grossen Beitrag zur Entwicklung des Distrikts geleistet:
Die Schulen São José und Euclidas da Cunha, die Kirche Prelazia und das Hospital Nossa Senhora de Fátima sind Zeugen aus dieser Zeit, welche Weisse, Schwarze und Indianer gleichermassen ausgebildet und behandelt haben.

Mitten im Zweiten Weltkrieg, 1943, emanzipiert sich der Distrikt Rio Branco zum Federalen Territorium Rio Branco. Sein erster Gouverneur war der Captain Ene Garcez dos Reis unter der Landesregierung von Getulio Vargas. Als letzterer 1945 durch den Präsidenten Eurico Gaspar Dutra ersetzt wurde, verlor sich das Interesse an diesen extremen Aussenposten eines Riesenlandes, welches anderen Problemen und deren Lösungen den Vorrang gab. Und so blieb es, von 1945 bis 1964. In diesen fast 20 Jahren hat das „Território do Rio Branco“ insgesamt 15 verschiedene Gouverneure gesehen – alle vom Präsidenten Brasiliens nominierte politische Mitstreiter, aber viel zu kurz (im Durchschnitt 16 Monate) an der Macht, um sich wirklich um die ihnen anvertraute Region und seine Menschen kümmern zu können – und deshalb, schlecht regiert, erreichte die Region auch die von ihr erwartete Entwicklung nicht.

Während dieser Zeit, im Jahr 1962, wurde der Name in „Território Federal de Roraima“ geändert. Schuld an dieser Namensänderung waren immer wieder vorkommende Fehlleitungen von Briefsendungen und auch von Einwanderern, die zwar nach jenem „Território do Rio Branco“ wollten, aber schliesslich in der damaligen Hauptstadt Rio Branco des Acre-Territoriums landeten!
Der grosse Entwicklungs-Impuls geschah in den Jahren 1964 – 1985, als Brasilien unter der Herrschaft der Militärregierung stand. Die Gouverneure der nördlichen Provinzen wurden immer noch vom Präsidenten bestimmt, allerdings während dieser Periode mit dem Auftrag, besonders die Entwicklung des Amazonasgebietes voranzutreiben und die Grenzgebiete zu sichern. „Integration National“ hiess das Schlagwort.

In diese Periode fallen verschiedene Planungen und Fertigstellungen der heute massgebendsten Bundesstrassen Amazoniens, mit dem Ziel der Kolonisierung der Region – unter diesen Strassen sind die BR-174 (Boa Vista – Manaus), die BR-401 (Boa Vista – Bonfim/Normandia), die BR 210 (Perimetral Norte). Diese Strassen intensivierten die Gründung neuer Munizipien und förderten den Einwanderungsprozess nach Roraima – angeführt von den Nordestinos.

Zwischen 1985 und 1990, der Redemokratisierung Brasiliens, geschah dann die eigentliche Bevölkerungsexplosion in Roraima, während der die verschiedensten Unternehmen und Industriebetriebe aus dem Boden schossen. Auslöser war ein neuer Gold- und Mineralien-Boom, der Tausende ins neue „Eldorado“ Brasiliens lockte.
Der internationale Flughafen von Boa Vista war über viele Monate der mit den meisten Starts und Landungen Südamerikas.

1988, nach einer Konstitutions-Reform, erhob man das Territorium Roraima in den Status eines Bundesstaates der Föderation – offiziell beginnt seine neue Rolle mit der Amtseinführung des ersten Gouverneurs, am 01. Januar 1991 – und jetzt erlebt der neue Bundesstaat auch eine nie gesehene Hektik grosser Bauprojekte für seine Infrastruktur und löst damit auch eine neue Einwanderungswelle aus allen Teilen des Landes aus.

Gegenwärtig drückt sich diese Entwicklung besonders in zwei grundsätzlich wichtigen Projekten aus: der Asphaltierung der Bundesstrasse BR-174 (seit 1999 fertig) und der Ankauf von elektrischer Energie aus dem Komplex Guri in Venezuela (entsprechendes Transportnetz ebenfalls seit dem Jahr 2000 fertig) durch dessen Versorgung man sich in Roraima eine industrielle Revolution erhofft, mit vielen neuen Arbeitsplätzen, besonders in der Produktion und der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte und agrar-industrieller Erzeugnisse.

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