Campo Grande

Zuletzt bearbeitet: 7. Dezember 2020

Campo Grande – die Viehzucht-Metropole – ist das Eingangstor für Reisen in den Süd-Pantanal.

Gründung:
1899
Lage: 532 Meter über Meer
Bevölkerungszahl: 906.092 (Stand 2020)
Grösse/km2: 8.093 km2
Bevölkerungsdichte/km2: 97,22 Einw./km2
Regenzeit: Dezember bis April

Die Stadt ist 1.134 km von Brasília und 687 km von Cuiabá/Mato Grosso entfernt. Man nennt sie auch „Cidade Morena“, wegen der fruchtbaren, rotbraunen Erde der Region. Sie ist ein Zentrum wirtschaftlicher Entwicklung. Unter anderen hat sich hier auch eine der grössten Gemeinschaften Brasiliens von Nachkommen japanischer Einwanderer gebildet, die alle von der Insel „Okinawa“ stammen. Nach Auskünften von Ufologen liegt die Stadt in einem Bereich ausserirdischer Flugobjekte. Mais, Reis, Baumwolle, Kaffee und die Produktion von Schlachtvieh sind in der Region von wirtschaftlicher Bedeutung – und vor allem unzählige Dienstleistungsunternehmen!

Wer könnte Campo Grande besser beschreiben als jemand, der dort lebt? Ich traf „Angela-Maria“ in einem der vielen Strassencafes an der Copacabana, in Rio, und als sie hörte, dass ich zwar das „Pantanal“ und „Bonito“ aber ihre Heimatstadt nie persönlich kennen gelernt hatte, gab sie mir eine Liebeserklärung ab, die ich mit dem ganzen Enthusiasmus und den typisch brasilianischen Übertreibungen wiedergeben möchte:

Liebe auf den ersten Blick!
Das ist es, was ich von den Besuchern meiner Stadt zu hören bekomme, wenn sie ihrem Enthusiasmus über die Schönheit von Campo Grande Luft machen. Die breiten, blühenden Avenidas, der Überfluss an Grün, Sonne und Raum, der stets ruhig fliessende Verkehr, verwandeln jeden Ausflug durch meine Stadt in einen eindrucksvollen Spaziergang. Besonders für denjenigen, der in den Ferien hier ist. Klar, dass man die „Liebe auf den ersten Blick“ erst gar nicht spürt, wenn man in einer Regennacht, per Omnibus, in Campo Grande ankommt und dann im Stadtteil „Moreninha“ – fünfzehn Kilometer vom Busbahnhof entfernt – eine bestimmte Adresse finden soll. Ich würde ein Taxi nehmen!

Natürlich haben wir auch unsere Probleme. Besonders was sich diese Kerle vom Immobilien-Sektor mit ihren Spekulationen geleistet haben – sie sind daran schuld, dass sich die Stadt „bis zum geht nicht mehr“ ausgedehnt hat – jetzt haben wir die Transportkosten dafür zu berappen – und für die Müllabfuhr! Und leider kann niemand verhindern, dass auch ein Besucher von ausserhalb, der den Alltag unserer Stadt kennen lernt, zu der unangenehmen Feststellung kommt, dass unsere im Zentrum des Kontinents erblühte Stadt, trotz allem, die gleichen Probleme und Herausforderungen zu bestehen hat, so wie andere Städte dieser Welt. Und so ist es – Probleme der Grosstadt haben wir auch. Aber, so wie unsere Stadt, sind auch unsere Probleme glücklicherweise noch nicht so gross. Und das gibt Bewohnern wie Besuchern ein gewisses Vertrauen in die Zukunft. Ein Teil der Mentalität von uns „Campo-Grandensern“ ist, dass wir unsere Probleme kennen – wie andere Leute auf der Welt die ihren – wir aber glauben daran, sie vielleicht auf humanere und gesündere Art und Weise, vielleicht sogar mit mehr Courage lösen zu können, als andere anderswo.

Unsere Stadt hat Lebensqualität und ein unwiderstehliches Klima – nicht nur aussen, auch von innen! Irgendwann erwärmt sich auch das Herz des in der Regennacht angekommenen Besuchers – zu einer „Liebe auf den zweiten Blick“ vielleicht – zum Beispiel, wenn er den Wechsel von einer Jahreszeit zur andern an jeder Strassenecke miterleben kann. Wenn er die Freude der Menschen über das sich erneuernde Leben beobachtet – wenn er sich zu ihnen gesellt und sie ihn gastfreundlich empfangen. Dann sagt er vielleicht seine ersten Worte, die er gelernt und dann, ja dann fängt er wirklich an, Campo Grande zu mögen“!

Sollte es während Ihrem Aufenthalt einmal regnen, dann hat „Angela-Maria“

nach obenHier ein paar Regen-Tipps, mit denen Sie sich die Zeit vertreiben können:

Museu Dom Bosco
Dieses unverzichtbare Museum wird auch „Museu do Índio“ genannt und ist eine der bedeutendsten Attraktionen der Stadt. Es wurde 1950 von Salesianern aufgebaut und enthält eine wirklich sehenswerte Sammlung von 8.000 Exponaten der Bororo, Xavante, Carajá, Moro und anderer Indianerstämme, ausserdem 2.200 Arten von Vögeln und Säugetieren – der grösste Teil aus dem Pantanal. Eine Sammlung von 12.000 Muscheln und 9.000 Schmetterlingen, aus aller Welt, ergänzt die Sammlung.
(„Rua Barão do Rio Branco, 1.811. Täglich 8:00 bis 18:00, Samstag 8:00 bis 17:00, Sonntag 12:00 bis 18:00).

Casa do Artesão
In diesem historischen Gebäude aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts findet man die vollständigste Schau regionalen Kunsthandwerks im ganzen Bundesstaat.
Von den berühmten Keramiken der Kadiweu-Indianer bis zu den hausgemachten Fruchtlikören – von den typischen Bogen und Pfeilen bis zu holzgeschnitzten Skulpturen – von Spitzen und Stickereien bis zu Körben und Matten aus Palmfasern. Hier kann man tatsächlich gute Stücke unter viel Klimbim entdecken.
(„Avenida Afonso Pena“, Ecke „Calogeras“, im Zentrum. Montag bis Freitag, von 8:00 bis 18:00, Samstag 9:00 bis 17:00).

Morada dos Baís
War das erste doppelstöckige Haus der Hauptstadt – es wurde in Etappen, zwischen 1913 und 1918 gebaut und gehörte einem italienischen Geschäftsmann mit Namen „Bernardo Franco Baís“, der mit seiner Familie das in ekletischem Stil errichtete Gebäude während 20 Jahren bewohnte. Nach seinem Tod, 1938, wurde das Haus von einer Pension angemietet, bis es ab dem Jahr 1979 von verschiedenen Unternehmen teilbesetzt wurde. 1995 unterzog man es einer gründlichen und sehr gelungenen Restauration und jetzt stehen drei Räume für Kunstausstellungen zur Verfügung, einer für musikalische Darbietungen, einer für ein Restaurant, und in einem haben die Nachkommen der Familie Baís ein Original-Zimmer in allen Details rekonstruiert.
(Avenida Nordoeste, 5.140. Dienstag bis Samstag, von 8:00 bis 19:00, Sonntag von 9:00 bis 12:00).

Igreja São Francisco
Ist die einzige Kirche, die Sie sich ansehen sollten, denn sie ist zweifellos das sehenswerteste historische Gebäude der Stadt – und das, obwohl sie erst 1955 vollendet wurde. An die Kirche schliesst sich ein Kloster an. Der Komplex wurde von den Franziskanern und unter aktiver Mithilfe der Gemeinde konstruiert und erfuhr 1995-96 eine komplette Reform. Die Architektur lehnt an den Stil des Bahnhofsgebäudes von Campo Grande an. („Rua 14 de Julho, 4213. Montag bis Freitag von 7:00 bis 17:00 und Samstag von 7:00 bis 11:00).

nach obenUnd hier sind ihre sehenswerten Empfehlungen für einen sonnigen Tag in der Hauptstadt Campo Grande:

Praça Ary Coelho
Ist der älteste Platz der Stadt, aus dem Anfang der zwanziger Jahre. Mit Springbrunnen, Freilichtbühne und Kinderspielplatz war er Schauplatz grosser und wichtiger politischer Versammlungen, in den 40er und 60er Jahren. Er ist immer noch ein typischer öffentlicher Platz, mit Geruch nach Popcorn, Zuckerwatte, verliebten Paaren und aufdringlichen Fotografen – am Tag. In der Nacht ein Trauerspiel.
(„Avenida Afonso Pena“ mit der „Rua 14 de Julho“, im Zentrum).

Estação Ferroviária
Der alte Bahnhof von 1914, durch den damals die Strecke „São Paulo – Corumbá“ der „Estrada de Ferro Nordoeste do Brasil“ führte. Seine Original-Architektur ist bestens erhalten – ebenfalls die inneren Anlagen und Einrichtungen, die Residenzen der Administration, das Dorf der Bahnarbeiter und die entsprechenden kopfsteingepflasterten Strassen. Ein wichtiger architektonischer Komplex, unter Denkmalschutz aber, ausser dem Bahnhof von aussen, dem Publikum nicht zugänglich.
(Anfang der Avenidas „Calogeras“ und „Mato Grosso“, im Zentrum).

Feira Central
Wenn Sie offene Märkte mit ihrem ganz speziellen lokalen Flair mögen, dann werden Sie auch in Campo Grande fündig: auf diesem Markt ist Tag und Nacht Betrieb – die bunten Farben der verschiedensten Gemüse, Früchte und anderer Artikel, um deren Preis man handeln kann – am Tag. Der fröhliche Betrieb an den Ständen mit verschiedenen frisch zubereiteten lokalen Spiessen und Leckereien – bei Nacht. Eine der ältesten Traditionen der Stadt, gepflegt von den stolzen Bürgern.
(Mittwoch- und Samstagmorgens, nachmittags und abends. Sonntagmorgens. In der „Rua Abrão Julio Rahe“, beim „Colégio Auxiliadora“).

Feira do Índio
Ist ein offener Markt der Terena-Indianer, die hier ihre Produkte und ihr Kunsthandwerk anbieten. Auf der einen Seite ihre Agrarprodukte, wie Maniok, grünen Mais, Palmherz, grüne Bohnen, Pfeffer, Tangerinen, Guaven und Pequi-Früchte. Auf der andern, schöne Keramiken und allerlei dekorative Artikel – wenn man ein bisschen Glück hat, auch ein paar seltene Stücke darunter. Beinahe so alt und traditionell wie der alte „Mercado Municipal“ (Distrikts-Markt), auf dessen Gelände er sich befindet. (Im Zentrum, zu jeder Tageszeit).

Horto Florestal
Dieser Park heisst mit offiziellem Namen „Parque Florestal Antônio de Albuquerque“ und befindet sich ebenfalls im Zentrum, an der Stelle des Zusammenflusses der beiden Bächlein „Prosa“ und „Segredo“ – die 1872 der Stadtgründer „José Antônio Pereira“ zum Aufbau seiner ersten Fazenda ausgewählt hatte. 1923 gegründet, umfasst der Park eine Fläche von 2,5 Hektar – zur damaligen Zeit ein grosser Park, in dem man, ausser einem Wäldchen, heute eine Jogging-Piste, einen Playground, ein Orchideenhaus, einen kleinen See, Skate- und Mountainbike-Pisten, Schnellimbiss und eine Bibliothek vorfindet.

Etwas abseits Projekte zur Einpflanzung von nativen Flora-Spezies der Region. Verbunden durch eine Brücke über die Avenida befindet sich das „Centro de Convivência do Idoso“ (Zentrum für Senioren) und das „Centro de Atividades Múltiplas“ (Zentrum der Mutiplen Aktivitäten) – mit einem Vortragssaal, Freilicht-Theater und verschiedenen Räumlichkeiten für Kurse.
(Dienstag bis Sonntag, von 5:00 bis 21:00).

Parque das Nações Indígenas (Park der Eingeborenen Nationen)
Er hiess früher mal im Volksmund „Parque do Prosa“ (Park des Schwätzchens) und ist die grösste Grünfläche von Campo Grande. Auf dem fruchtbaren Boden verschiedener Grundbesitzer, die sich des Geländes für Schrebergärten und Kleintierhaltung bedienen, hat die Regierung dieses Freizeitgelände geschaffen, wegen seiner privilegierten Lage – mitten in der Stadt, auf der Höhe der „Avenida Afonso Pena“, leicht erreichbar für die Bürger aus allen Stadtteilen. Es handelt sich hier um den grössten Stadtpark der Welt – mit 119 Hektar und einer guten Infrastruktur für Sport und Freizeit.
(Geöffnet von Dienstag bis Sonntag, zwischen 6:00 und 21:00).

nach obenKULTURELLES

„Angela-Maria“, die in Campo Grande als Polizei-Leutnant arbeitet, ist eigentlich eine durch und durch romantische Person. Einmal in Fahrt, hat sie mir den ganzen Abend von ihrer Stadt erzählt und was dabei herausgekommen ist, beweist zumindest ihre persönliche Liebe zu ihrer Heimat. Das heisst, eigentlich ist sie in Minas Gerais geboren, (wie jener Pionier José Antônio Pereira) aber schon früh mit ihren Eltern nach Campo Grande umgezogen und dort aufgewachsen. Sie hat eine gute Schule besucht – später die Polizeiakademie in São Paulo – und, natürlich habe ich sie gefragt: „warum Polizei“? Und an der Art, wie ich meine Frage stellte, schien sie sofort auch meine persönliche Abneigung gegen die Polizei hierzulande herausgehört zu haben – und ihre Antwort kam prompt: „Warum nicht Polizei? Und warum nicht ich als Frau? Es führt zu nichts, nur gegen etwas zu sein, ohne aktiv etwas zu tun, diese Situation zu ändern. Ich will etwas tun – und mein Beispiel kann die Situation ändern“! Noch philosophischer fand ich die Geschichte, die sie mir in diesem Zusammenhang erzählte:

„Der Wald brennt – alle Tiere, gross und klein, rennen vor den bedrohlichen Flammen davon, um sich in Sicherheit zu bringen. Selbst so grosse Tiere, wie Tapir, Wildschwein und der Jaguar nehmen Reissaus. Nur der winzige Kolibri schwirrt zum nahen Bächlein, nimmt einen Schnabel voll Wasser und fliegt zurück zum brennenden Wald, wo er seine Wassertröpfchen über den Flammen versprüht. Dann fliegt er wieder zurück zum Bach, um den Schnabel neu zu füllen. Fragt ihn der Jaguar, der sein vom Feuer arg lädiertes Hinterteil im Wasser badet: „Was machst Du da?“ „Ich leiste meinen Beitrag“, antwortet der kleine Vogel.“

Bei dem Vergleich mit dem „kleinen Vogel“ muss ich wohl ein bisschen gegrinst haben – vielleicht weil Angela-Marias kräftige Proportionen zu denen eines Kolibris nicht so recht passen wollten – und hatte Mühe, ihren Verdacht zu zerstreuen und sie auf ein anderes Thema zu lenken, von dem ich mir auch ein paar brauchbare Auskünfte erhoffte : „Kultur in Campo Grande?“ Und wieder staunte ich über meine versierte neue Freundin:

„Die Kultur von Campo Grande ist eine Art Synthese der unterschiedlichen kulturellen Strömungen unserer Region. Im Gegensatz zu älteren Städten – wie Cuiabá oder Corumbá, die durch Jahrhunderte der Isolation ihre eigene Lebensart entwickelt haben, einen individuellen Geschmack und markanten Dialekt – ist Campo Grande gerade erst im Begriff, zu einer eigenständigen Kultur zu finden. Ein Prozess in der Entwicklung, der auf wenig mehr als ein Jahrhundert zurückblickt und seine Identität in der Summe der verschiedenen Einflüsse sucht, die von den indianischen Ureinwohnern bis zu den zuletzt eingewanderten Emigranten reichen. Die Kultur von Campo Grande ist eigentlich die Kultur von Mato Grosso do Sul – und dessen Wurzeln müssen, als Eigenschaften des Südens im antiken Bundesstaat Mato Grosso, verstanden werden.

Der wohl markanteste Einfluss stammt aus dem „Guarani“ (gemeint ist die Kultur des Nachbarlandes Paraguay). In der Musik, der Sprache, der Küche, in den Warenspeichern, den Textilspinnereien, im Haushalt und in der Tereré-Runde (grüner Mate, wird kalt aufgegossen) – alles scheint einen daran zu erinnern, dass bei uns auch mal Paraguay war (Besetzung des Südens von Mato Grosso während des Paraguay-Krieges (1864-70).

Noch stärker als diese Erinnerung, nur das Bewusstsein, dass vor Paraguay und vor den Spaniern, das alles hier mal „Kadiweu-Land“ war, und „Terena“ und „Guaicuru“ und „Ofaié“! Die Präsenz der Indianer ist deutlich spürbar in allem, was Campo Grande an Persönlichkeit und Individualität besitzt.

„Unsere Indianer“ haben sich – im Vergleich zu anderen Indianern Brasiliens, Boliviens, Paraguays oder Argentiniens – bemerkenswerte Eigenschaften erhalten, die selbst den Anthropologen auffallen. Unsere Indianer stammen aus der Erde von „Mbayanica“ – so nannten sie diese Region unter der Herrschaft der „Mbayá-Guaicuru“. Nach den Spaniern und den Portugiesen mussten sie sich, hier im Süden, mit der Einwanderung verschiedener brasilianischer Völker abfinden – während in Cuiabá die „Nordestinos“ (aus Nordostbrasilien) und die „Cariocas“ (aus Rio de Janeiro) überwogen, waren es bei uns im Süden die „Mineiros“ (aus Minas Gerais) – „Paulistas“ (aus São Paulo) und „Sulistas“ (aus Südbrasilien). Dazu kamen dann noch die Japaner, Libanesen, Araber, Türken, Armenier und viele andere.
Sie alle lebten mit den resistenten Erben des Guaicuru-Imperiums zusammen und gaben ihren Beitrag zur Entwicklung unseres Landes – auf der Strasse, auf dem Feld, auf dem Markt, in den Geschäften, auf Festen – und nicht immer waren sie einander brüderlich gesinnt. Und alle kämpften sie sich durch, um zu überleben.

Mit dem Schock neuer Technologien, neuer Medien und der daraus folgenden Lawine neuer Symbole und universeller Vorbilder, scheint sich bei uns eher ein Prozess der Selbstfindung einzuleiten, statt einer globalen Vermischung – und die lässt unsere regionalen Eigenheiten sichtbar werden. Und die begründen, um zu überleben, etwas, das sich langsam zur Identität von Mato Grosso do Sul entwickelt“.

Musik
„Ohne Zweifel ist Musik die am meisten exponierte, die kultivierteste und einnehmendste Seite unserer Kultur. Der Rhythmus kommt von der Grenze (gemeint ist Paraguay), nicht immer fröhliche, aber stets ergreifende Töne der Polkas und Guarânias – Musik, die eher vom Bass als vom Schlagzeug getragen wird – mit bewegenden Soli und Akkorden der Tischharfe – klare, reine Saiten, deren Klang an eine Kultur vergangener Imperien erinnert.

Aus dem Süden (gemeint ist Südbrasilien) hat sich der Klang der Mundharmonika und des Akkordeons bei uns eingefunden – und der Spass am Diskutieren und Politisieren. Aus Minas (Minas Gerais), „Araçatuba“, kam die verrückte Violine, der „Xote“ (Volkstanz) und der „Pagode Caipira“ (Bauern-Musik) mit dem „Rasqueado“ (Volkstanz). Tun wir dazu noch, mit ein bisschen Gefühl, etwas Jazz, Blues und „Bossa Nova“ – und dann eine bewegende Stimme: sing‘ mit Gefühl, improvisiere und lege alle Deine Überzeugung hinein. Das ist es!
Wenn dir dann irgendwo einer sagt, dass du Musik aus Campo Grande machst – zweifle nicht daran, sondern erwidere: „Was sonst…!“

Wirklich – ich bin platt! Hier habe ich eine Philosophin aufgetan – und wie sie sich freut über mein Kompliment. Als sie ihre kleine schwarze Handtasche aufklappt, um sich ein Taschentuch herauszuholen, bemerke ich die grosse, dunkle Pistole zwischen den Utensilien, die eine Frau so mit sich herumträgt. Lächelnd zieht sie ihre Polizeimarke hervor und zeigt sie mir – wenn ich bisher noch Zweifel hatte – jetzt fühle ich mich beschützt.

Klar, dass wir uns wieder getroffen haben, bevor sie nach Campo Grande zurückflog – und, um mich zu revanchieren, habe ich ihr Rio de Janeiro gezeigt, die Stadt, in der ich schon länger als zwanzig Jahre zuhause bin und in die, so scheint es, mich immer wieder etwas zurückzieht.

nach obenEin paar Kuriositäten aus Campo Grande

Prosa und Segredo
Sind die beiden Bächlein an deren Zusammenfluss Campo Grande sich entwickelte (das wissen wir bereits aus der Geschichte). Der erste bekam seinen Namen (Prosa = Schwatz, Gerede), weil sich an seinem Ufer die Pioniere zum Schwatz und zum Spiel trafen. Der Name des zweiten (Segredo = Geheimnis), so sagt man, ist verbunden mit einem Geheimnis um eine verbotene Liebe – aber bis heute weiss darüber niemand etwas näheres.

Fossilien
Im „Parque do Prosa“, der offiziell „Parque das Nações Indígenas“ heisst, fanden Wissenschaftler Reste einer präkolumbianischen Kultur. Daraus schliesst man zu Recht, dass unsere Region einstmals von prähistorischen Völkern bewohnt war – dafür gibt es Indizien an vielen Stellen.

Die Pferde-Post
Bis zum Bau der Eisenbahn (1914) kam die Post nach Campo Grande auf dem Pferderücken, über „Aquidauana“, das mit Rio de Janeiro über den Rio da Prata Schiffsverbindung hatte. Die Postsäcke mussten über 20 Léguas (140 km) zu Pferd transportiert werden und verspäteten sich regelmässig, weil der Reiter unterwegs zuviel Treibstoff zu sich nahm.

Das erste Kino
Die erste Vorstellung fand in Campo Grande um die Jahrhundertwende statt – unter den Orangenbäumen des einzigen Hotels der Stadt.
Ein Reisender hatte die Neuheit ins Interior des Landes mitgebracht – er benutzte als Leinwand ein zwischen den Bäumchen aufgespanntes Bett-Tuch, welches angefeuchtet, sich schön glatt spannte und einen technisch perfekten Hintergrund für die Kurzfilme abgab, mit denen er ein illustres Publikum zu Beifallsstürmen hinriss.

Die erste Publikation
Mit der ersten Reportage über Campo Grande und schönen Panorama-Fotos, in einem Druck von internationaler Qualität, war das „Album Graphico de Mato Grosso“ – gedruckt und publiziert in Europa im Jahr 1910.

Die geheimnisvolle Schienen-Kurve
Nur die Ingenieure der damaligen Zeit – um 1910 – könnten erklären, warum die Eisenbahn, als sie 1914 den Fortschritt zu den Bewohnern von Campo Grande brachte, anstatt, wie überall, einfach die Stadt zu durchqueren, in diesem Fall eine Riesenkurve vor dem Bahnhof beschrieb – um dann, wiederum mit einer riesigen Kurve, die Richtung weiter nach Corumbá wieder aufzunehmen. Diese geheimnisvolle Kurve, die bis heute niemand erklären kann, wird auch nach dem Herausnehmen der Schienen – was demnächst ansteht – weiterhin sichtbar bleiben, denn sie hat Strassen und Gebäudekomplexen ihren definitiven Verlauf vorgegeben.

Das Klima vom Libanon
Über die Konstruktion der Eisenbahnlinie freuten sich einige Libanesen, die sich in Corumbá fast zu Tode schwitzten, ganz besonders, denn jetzt konnten sie endlich nach Campo Grande umziehen, wo sie ein wesentlich angenehmeres Klima vorfanden das, wie sie behaupten, sehr ähnlich ist mit dem Klima ihrer Heimat.

Erinnerungen an Okinawa
In Campo Grande hat sich eine der bedeutendsten Gemeinschaften von Nachkömmlingen japanischer Einwanderer der Insel Okinawa entwickelt. Unter ihnen haben sich kulturelle Traditionen erhalten, die durch den Zweiten Weltkrieg auf ihrer Heimatinsel verloren gegangen waren.

Oscar Niemeyer
Hat in den 50er Jahren in Campo Grande eine Schule projektiert, sie heisst „Escola Estadual Maria Constança de Barros“, in der „Rua Marechal Rondon“ – in der Nähe des Omnibusbahnhofs. Sie hat die Form eines offenen Buches – und ist der Stolz der ganzen Stadt.

Platz der Liebe
Der kleine Platz in der Universitätsstadt war zwischen den 60er und 70er Jahren ein beliebter Ausflugsort der Campo-Grandenser – mit Bar, Tretbötchen und vielen schönen Mädchen. Der Ort bekam diesen Namen, weil er von Pärchen, die sich im Auto vergnügten, nur so wimmelte – natürlich zum Ié-ié-ié-Sound!

Auto-Kino
Das war auch einmal einer der bevorzugten Tummelplätze der motorisierten Jugend von Campo Grande. Der letzte Versuch, es wieder zu beleben, wurde vor zehn Jahren gemacht, aber die ausgesuchten künstlerisch wertvollen Filme zogen nicht mehr soviel Publikum an, wie ehemals die Spagetti-Western oder Soft-Pornos der 70er.

Telefon-Tiere
Man muss nicht unbedingt ins Pantanal fahren, um Reiher, Tukane, Aras und Kaimane zu sehen – hier in Campo Grande begegnen sie einem auf offener Strasse: aus Plastik, schön bunt bemalt und mit eingebautem Telefon!

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